Der vorprogrammierte Krieg gegen den Iran (Ungekürzte Version) - Teil 2

Von CrisHam, 17. Juni 2025

 

Stellvertreter der Stellvertreter

 

Im Dauerkonflikt mit dem Iran geht es vor allem um eine Einsicht: Indem ganz andere Ziele und Interessen verfolgt werden als die der demokratischen Nationen des Westens, liegen auf breiter Front Stellvertreterkriege vor. Diese entsprechen einem Gebrauch des Militärs als Werkzeug. Dabei werden Menschenleben für Ziele geopfert, die keinen persönlichen Lebenseinsatz und schon gar nicht das gesellschaftliche Risiko einer Eskalation zum Großkrieg rechtfertigen. 

Heutige Proxykriege sind noch undurchsichtiger als frühere, indem auch hinter Stellvertretern oft nur weitere Stellvertreter stehen. Genau das liegt offensichtlich beim Konflikt Israel-Iran vor. 

Bei der Frage, wessen Interessen dort tatsächlich bedient werden, fällt der Verdacht nach der Vorgeschichte zunächst auf Großbritannien. Doch pauschal auf die britische Nation zu zeigen, wäre ungerecht. Schon seit Jahrhunderten ist ‚britische‘ Politik konstant die Politik seiner Oberschicht. Diese konnte ihre Machtposition durch Akkumulation eines gigantischen Reichtums in der Kolonialzeit immer weiter festigen und in den USA ein zweites Hauptquartier einrichten. In diesen Kreisen wurzelt das ‚britische‘ und ‚amerikanische‘ Interesse an iranischem Öl.

Der Iran übt sich zwar seit 1979 im solidarischen Eintreten für muslimische Glaubensbrüder in Palästina, erhält dafür aber von anderen islamischen Ländern genau 0 Solidarität zurück. Ob Türken, Pakistaner oder Araber, alle betrachten den schiitischen Iran als Rivalen. Insbesondere die Türken zeigen mit ihrem schon seit dem 1. Weltkrieg bestehenden angespannten Verhältnis zu den Kurden die generell enge Begrenztheit ihrer islamischen Solidarität – was Optionen auf anderweitige ‚strategische‘ (sprich opportunistische) Bündnisse zulässt. – Als  geeigneter Partner, dessen einziges konstantes Prinzip ebenfalls im Eigennutz besteht, erwies sich Großbritannien bzw. dessen Elite. Deren prinzipienferne Strategie ist u. a. von dem großen chinesischen Staatsmann Dr. Sun Yat-sen klar durchschaut worden.6)

  1. Ein Bündnis kam erstmals 1853 zustande, als Großbritannien unprovoziert in eine Auseinandersetzung zwischen dem Osmansischen Reich und Russland auf der Seite der Türken eingriff. Der kaum bekannte Krieg, an dem sich auch (das bereits 1815 bei Waterloo als Macht degradierte) Frankreich und Savoyen (Italien) beteiligten, kostete 1 Mio. Menschenleben und beließ Teile Südosteuropas unter osmanischer Herrschaft.
  2. Seither haben verschiedene historische Ereignisse eine meistens inoffizielle Begünstigung muslimischer Kräfte durch Großbritannien gezeigt.
  3. Diese Parteilichkeit gilt auch für Palästina zur Mandatszeit und jetzt für Israel,7) 
  4. Obwohl die antiisraelische Propaganda durch NGOs und westliche Medien seit dem 07. Oktober 2023 immer offener den Charakter einer Werbung für den politischen Islam und den Terrorismus angenommen hat, erkennen noch zu wenige westliche Bürger den Angriff auf die Prinzipien ihrer freiheitlichen Zivilisation durch diese Islamisten. 

Durch den israelischen Militärschlag gegen den Iran am 13. Juni und die anschließende US-Beteiligung erhält das Lager einer Protestbewegung gegen die israelische und die US-Regierung unter Trump weiteren Zulauf. Diesen Protest korrekt zu beurteilen erfordert allerdings die Berücksichtigung der Tatsache, dass alle drei Konfliktbeteiligten, die Trump-Regierung, der Iran und Israel von einflussreichen Personenkreisen als Rivalen angesehen werden. Deren Interesse besteht in Polarisation und Eskalation.

Idealistisch motivierte Teilnehmer der Proteste glauben dem Frieden zu dienen, wenn sie fordern, Israel keine Waffen mehr zu liefern. Sie übersehen aber, dass der Respekt, den der kurze, harte US-Schlag dem Ayatollah-Regime abgerungen hat, durch solche einseitige Parteinahme untergraben wird. Das gilt erst Recht, wenn (in Großformat und in Tausenden von Exemplaren verbreitete) Plakate mit dem Konterfei des Diktator Khamenei in den Protestmärschen präsentiert werden. Denn dadurch verliert der gemäßigte demokratisch gewählte Präsident Pezeshkian innenpolitisch an Einfluß und die Chance auf eine demokratische Befreiung des Iran schwindet.

Eine Internetsuche mit dem Schlagwort „Hands off Iran!“ – Hände weg vom Iran!, auch in der spanischen Version „¡Manos fuera de Irán!“ liefert eine sehr große Zahl von Ergebnissen. Diese zeigen einen (über die großen Nachrichtenagenturen) konzertierten Charakter der Aktion. Als Promotoren der parallelen Protestmärsche lassen sich unschwer politisch motivierte NGOs indentifizieren, zu deren maßgeblichen Finanzierern milliardenschwere Stiftungen gehören.

Vor dem 13. Juni 2025 wären Kundgebungen mit diesem Aufruf angebracht gewesen, denn sie hätten Israel davor bewahren können, in die von den Polarisierern schon lange gestellte Falle der militärischen Konfrontation zu laufen.

 

Politischer Liebling Türkei

Die Allianz aus dem Krimkrieg zwischen maßgeblichen Kreisen in Großbritannien und dem Osmanischen Reich wurde unmittelbar nach dem 1. Weltkrieg wiederbelebt, als die Türken nicht daran gehindert wurden, sich vor den Bestimmungen des Friedensvertrages von Sèvres von 1920 zu drücken. U. a. ‚durften‘ sie den Kurden und Armeniern die Autonomie und erst Recht die Unabhängigkeit dauerhaft versagen. 

Nach dem 2. Weltkrieg wurde die Türkei in die NATO aufgenommen, erhielt umfangreiche Hilfe bei der Aufrüstung und vielerlei andere Begünstigungen. Für aggressive politische und militärische Aktionen, für die andere Länder Sanktionen oder gar Militärschläge riskiert hätten, hat sie nicht mehr als sehr verhaltene Medienkritik erfahren. Das betraf u. a. das Pogrom von Istanbul 1955 gegen Griechen, Armenier und Juden mit 3.500 verwüsteten Wohnhäusern und 4.000 bis 5000 angeriffenen Geschäften (über 90 % der Griechen haben das Land verlassen).8)

1974 erfolgte die Invasion auf Zypern mit der Vertreibung von 150 bis 200.000 Inselgriechen, im syrischen Bürgerkrieg die Besetzung eines Grenzstreifens. Seit dem Krieg gegen Libyen 2011 besteht eine Dauerpräsenz türkischer Besatzungstruppen in dem ebenso dauerhaft destabilisierten Land und seit über 100 Jahren findet wechselnd intensive, aber anhaltende Unterdrückung und mitunter Verfolgung von Kurden statt.

Besonders das Verhalten des auf Zypern in zwei Militärstützpunkten stationierten britischen Militärs während der Invasion von 1974 ist für die Einschätzung der tasächlichen Allianzen aufschlussreich: Es hat nichts zur Verteidigung unternommen, blockiert aber bis heute große Teile des griechischen Inselteils. 

Nach einer Niederwerfung des Iran wird Israel aus geographischen Gründen keinen Quadratmeter des Landes okkupieren können. Die Türkei besitzt dagegen nicht nur die geostrategischen Voraussetzungen und das militärische Potenzial, das gesamte Land zu besetzen, sondern auch das Motiv. Denn sie hat zusammen mit 5 ehemaligen Sowjetrepubliken türkischer Sprache im westlichen Innerasien sowie mit Nordzypern die Organisation der Turkstaaten geschaffen. Deren Initiativen zur Einführung eines gemeinsamen Alphabets und zur Zusammenarbeit sind als Integrationsleistungen hoch zu begrüßen, zumal mit Ungarn ein Partnerland angeschlossen ist, das bei der Zusammenarbeit mit Europa Brücken schlagen kann.

Doch bei einer gemeinsamen Fläche dieser Staaten, welche diejenige Indiens deutlich übertrifft, können in den Gehirnen der beteiligten Machthaber leicht Großmachtvisionen aufkommen – passend zu den Dimensionen des Präsidentenpalastes in Ankara. Für eine militärische Großmacht besteht jedoch das Manko eines fehlenden Zugangs zum Ozean – der Iran liegt dazwischen.

 

Zurück zur Aufrichtigkeit und zu den Prinzipien der freiheitlichen Demokratie 

Der israelische Schlag vom 13. Juni erfolgte gewissermaßen in letzter Minute – aber nicht kurz vor der Verfügbarkeit einer einsatzbereiten Atombombe in den Händen der Ayatollahs in Teheran. Das Szenario eines Iran, der unmittelbar an der Schwelle zur Atommacht steht, wurde von Langzeit-Regierungschef Netanyahu schon in den 1990er Jahren beschworen.

Nein, nur aus Sicht polarisierender Kräfte erfolgte der jetzige Militärschlag in letzter Minute. Es ‚drohte‘ nämlich eine friedliche Einigung – so wie es im Ukrainekonflikt bereits im März 2022 der Fall war, nachdem der damalige israelische Ministerpräsident und Idealist Naftali Bennett eine unterschriftsreife Einigung zwischen Moskau und Kiew vermittelt hatte. Borris Johnson ist damals nach Kiew geflogen und hat den Krieg für die MIC- und NATO-Militaristen ‚gerettet‘, was bisher etwa eine Million Menschenleben gefordert hat.

Auch mit Teheran war eine friedliche Einigung näher gerückt, als Trump schon vor Monaten Verhandlungsbereitschaft signalisiert hat. Mit mehr Sensibilität hätte man im Westen auch mitbekommen, dass sich im Iran schon seit geraumer Zeit eine Entwicklung vollzieht, die hoffnungsfroh stimmen sollte. – Das kann sie nur leider nicht, weil sie in den Medien zu wenig aufgegriffen wird. Es handelt sich um eine zunehmende Unzufriedenheit der iranischen Bevölkerung mit dem Regime der Aytollahs. Inzwischen würde die überwältigende Mehrheit lieber heute als morgen einen Regierungswechsel sehen und mit ihm mehr persönliche Freiheiten, ein Abrücken von der Terrorförderung und Frieden mit Israel.9)

Sollte es polarisierenden Kräften gelingen, die harte Konfrontation mit Israel vor Reformen im Iran fortzuführen, bietet das für einen Weschsel zunächst noch (bevor sich der oben genannte gefährliche Psychoeffekt durchsetzt) aufgeschlossene Ambiente im Iran beste Bedingungen für die umsturzgeübten westlichen Geheimdienste. Wie die fast reibungslose Express-Entmachtung Assads durch türkeinahme Islamisten in Syrien gezeigt hat, ist so etwas eine Frage des politischen Willens, nicht eine der Möglichkeiten – heute wie schon zu Zeiten Mozadeghs.

 

Referenzen und interne Links

  1. https://risingtidefoundation.net/2024/01/06/sun-yat-sens-advice-to-young-revolutionaries/
  2. https://www.frieden-freiheit-fairness.com/blog/die-verantwortung-fuer-den-nahostkonflikt-liegt-bei-grossbritannien
  3. https://en.wikipedia.org/wiki/Istanbul_pogrom
  4. https://www.memri.org/reports/accelerating-collapse-iranian-regime