A 09
Super-Steueroasen

Liechtenstein, Monaco, die Cayman-Inseln, Singapur, die Bermudas und die britischen Kanalinseln sind bekannte Steuerparadiese, aber keineswegs die bedeutendsten.

„Wilmington ist die Stadt der Briefkasten-Firmen, einige Hunderttausend sind hier registriert. Der ganze Bundesstaat Delaware hat nach Angaben des Zensus knapp eine Million Einwohner, aber etwas mehr als eine Million hier gemeldete Unternehmen. Die Regierung des Bundesstaates meldet in werbender Absicht, dass 65 Prozent der im Börsenindex Fortune 500 notierten Unternehmen ihren rechtlichen Sitz in Delaware haben, in der Regel aber nicht ihre Firmenzentrale“. / Winand von Petersdorff-Campen in Frankfurter Allgemeine Zeitung, Delaware, Amerikas eigene Steueroase, Frankfurt  am Main 11.04.2016, Referenz www.faz.net

In Wilmington existiert ein vom Bundesstaat Delaware künstlich geschaffener Markt für Firmen, die sich auf die Registrierung  von Unternehmen spezialisiert haben . So heißt es in einem Bericht in der Zeitschrift „Die Zeit“ aus Mai 2013:

“Geschätzte 200.000 Firmen sind unter der Adresse xxx gemeldet. Allesamt Briefkastenfirmen – ohne Briefkasten. Zu den Unternehmen gehören US-Konzerne wie Apple und Google,  aber auch deutsche Firmen wie Daimler und Volkswagen. Das hat dem unscheinbaren Bürogebäude sogar einen Eintrag in Wikipedia eingebracht. >Die Firmen existieren nur in der Schublade des Schreibtisches irgendeines Anwalts<, sagt David Brunori, Jurist an der George Washington University in Washington. >Delaware ist ihr Briefkasten. Es gibt keinen Schreibtisch, keinen Stift, keine Sekretärin." (Unkenntlichmachung der Adresse nachträglich).Thorsten Schröder, Delaware, Liebling der Weltkonzerne in Die ZEIT, 03. Mai 2013, Referenz www.zeit.de

Unternehmens- und namentlich konzernfreundliche Regelungen haben in Delaware eine rund zweihundertjährige Tradition. Während weltweit bürokratische Hindernisse und Steuerhürden zugenommen haben, war in Delaware das Gegenteil der Fall:

“Delaware erhebt für Holdings, die nicht vor Ort produzieren, außer einer jährlichen Registrierungsgebühr keine weiteren Unternehmenssteuern. Gewinne aus Lizenzen, Patenten, Marken- und Urheberrechten sind ebenfalls steuerfrei. Hunderttausende Unternehmen haben deshalb in Delaware in den vergangenen Jahrzehnten Tochterfirmen gegründet. >Sie rechnen ihre Steuerlast niedrig, indem sie Gewinne nach Delaware verschieben<, sagt Jurist Brunori, >Sie kommen vor allem aus einem Grund: um anderswo Steuern zu sparen<” / Thorsten Schröder, in Die ZEIT, Delaware, Liebling der Weltkonzerne, 03. Mai 2013, Referenz www.zeit.de

Nach dem am Ende des vorigen Kapitels beschriebenen Abrechnungsverfahren kann ein in einem anderen US-Bundesstaat oder im Ausland gelegenes Finanzamt der Tochtergesellschaft für den formal errechneten knappen Gewinn kaum Steuern abkassieren, während es sich die Konzernmutter im Steuerparadies mit dem steuerfreien Gewinn wohlsein lässt.

Außer Delaware sind es unter den 50 US-Bundesstaaten auch Wyoming, South Dakota und Nevada, die mit attraktiven Bedingungen für die Reichen und Superreichen locken – jeweils mit einem etwas anderen Profil an Vorteilen. Zu letzteren zählt auch das Bankgeheimnis, für welches früher die Schweiz bekannt war. Doch während die Eidgenossen nach jahrzehntelangem Beschuss durch Politik und Medien in die Knie gegangen und vom einst heiligen Bankgeheimnis abgerückt sind, wird dieses in einigen US-Bundesstaaten hochgehalten. 

In Anbetracht des gigantischen Umfanges solcher Wettbewerbsverzerrungen fragt man sich, wie dieser Selbstbedienungsladen für Superreiche und ihre Konzerne so erfolgreich aus dem Wahrnehmungsfeld der Bürger herausgehalten werden konnte und kann. Die Antwort liefern die Medien – natürlich nur indirekt: Über Delaware als hausinternes Steuerparadies für US-Konzerne wird nach Möglichkeit gar nichts berichtet - dafür aber umso ausführlicher und häufiger über vermeintlich ähnliche Themen - als Ablenkungsmanöver. Entsprechend findet man durchaus Berichte über weltweit verstreute andere Steueroasen und Ausweichmöglichkeiten für Steuerbürger wie Monaco, Bermuda, Liechtenstein, die Cayman-Inseln oder Panama. 

Neben singulären Einzelmeldungen werden dabei auch spektakulär aufgemachte und breit angelegte “Enthüllungen” präsentiert” – in der Mainstream-Medienlandschaft ein fast untrügliches Zeichen dafür, dass entweder von etwas anderem abgelenkt werden oder allgemein eine den Interessen der Superreichen entsprechende Betrachtungsweise propagiert werden soll. 

So konnte man auch bei den sogenannten Panama-Papieren, sogleich die dahinter steckende propagandistische Absicht ahnen. Am 03. April 2016 wurden Enthüllungen über Briefkastenfirmen und deren Konten in Panama veröffentlicht – und zwar laut Wikipedia gleichzeitig in nicht weniger als 109 Zeitungen, Fernsehanstalten und Internetmedien in 79 Ländern. Schaut man sich die Auflistung der enttarnten Steuerflüchtlinge an, so handelt(e) es sich dabei um Politiker, Sportstars, Unternehmer und andere Wohlhabende oder Reiche. Von Konzernen war kaum die Rede und von Angehörigen der superreichen Geldynastien in den USA, also den eigentlichen Kapitalisten, schon gar nicht. Inzwischen - Oktober 2021 – existiert eine noch größere Neuauflage des Medienrummels in Gestalt der Pandora-Papiere. Die Beteiligung von 600 Journalisten, die sich an die Auswertung von 11,9 Mio. Dokumenten, E-Mails, Videos usw. machen, mutet etwa so an, als wenn man Wölfen einige Säcke Fertigfutter aus dem Supermarkt vorwirft, damit sie auf längere Zeit von tatsächlicher Beute abgelenkt werden. Zwar befinden sich unter den enttarnten Steuerflüchtigen außer über 130 Milliardären auch hohe Politiker. Doch die durch ihr Geld  mächtigen Personen bleiben wie immer hinter dem Wahrnehmungshorizont. Dennoch tauchte bzw. taucht in den Veröffentlichungen zu den Panama-Papieren wie auch zu den Pandora-Papieren wiederholt das irre leitende Stichwort “superreich” auf.

Die wirklich grossen Steuertricksereien auf Konzernebene in US-Steuerparadiesen, von denen so abgelenkt wird, sind zwar keineswegs geheim und für den aufmerksamen Beobachter sogar sehr offensichtlich, aber die betreffenden Profiteure konnten, mit ihrer Medienmacht im Rücken, bisher jegliche Kritik einfach aussitzen.