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Militanter Islamismus - Falle für Saudi-Arabien     

Saudi Arabia—not Iran—is the biggest state sponsor of terrorism in the world today. For years Iran has borne the unenviable title of “world’s biggest state sponsor of terrorism.” Only two are Shi’a—Hezbollah and Kataib Hezbollah, and only four have ever claimed to receive support from Iran. Nearly all of the Sunni militant groups listed receive significant support from either the Saudi government for Saudi citizens. – Saudi Arabien – nicht der Iran - ist heute der grösste Sponsor des Terrorismus in der Welt. Über Jahre hinweg hat der Iran den unausweichlichen Titel des „weltweit grössten staatlichen Finanzierers des Terrorismus“ kreiert.  / Adam Weinstein, The Real Largest State Sponsor Of Terrorism, 03/16/2017, in The Huffpost, Referenz https://www.huffpost.com/entry/the-real-largest-state-sponsor-of-terrorism

So wie viele andere Quellen belegt auch die Aussage des Kenners Adam Weinstein, dass die Medienpropaganda gegen den Iran, die man am ehesten als Präsentation einer Vorab-Rechtfertigung für ein baldiges gewaltsames Vorgehen am Persischen Golf interpretieren kann, in Wahrheit an die falsche Adresse gerichtet ist. 

Es wäre allerdings völlig verfehlt, die besagte Medienfokussierung nunmehr auf Saudi-Arabien umzuleiten. Denn dessen zweifelsfrei enges Verhältniss zum radikalen und miltanten Islam ist das historische Ergebnis zweier Allianzen, die beide aus dem legitimen Motiv der Absicherung geknüpft worden sind. Doch indem eine dieser beiden mit dem ungleich mächtigeren und seine wahren Ziele stets verheimlichenden amerikanischen Großkapital eingegangen wurde, konnte sich das Bündnisgefüge mit den Jahrzehnten zu einer tödlichen Falle entwickeln, aus welcher es für das Königreich inzwischen aus eigener Kraft kein Entrinnen (vor ihren vermeintlichen Freunden) mehr gibt.

Die historisch ältere Allinaz wurde im 18. Jahrhundert zwischen dem Stammesführer Ibn Saud und dem Prediger Abd al-Wahhab geschlossen und ähnelte in ihrem Grundgedanken dem mittelalterlichen Bündnis des europäïschen Adels mit der Kirche - indem die saudische Herrschaft vom wahhabitischen Islam einen gottgewollten Status erhielt. 

Die zweite Allianz mit den Kapitalisten (und nur vermeintlich mit “den Amerikanern”), bahnte sich sehr langsam an, zuerst über gute Öl-Geschäftskontrakte ab den 1930er Jahren. Das sich ab den 1960er Jahren anschließende politische Bündnis basierte jedoch auf der gefährlichen Vorstellung, dass der Feind des Feindes als befreundet angesehen wird. “Saudi support for Islamic extremism started in the early 1960s as a counter to Nasserism—the socialist political ideology that came out of the thinking of Egypt’s Gamal Abdel Nasser…” - Die saudische Unterstützung für islamischen Extremismus startete in den frühen 1960er Jahren als Gegenbewegung zum Nasserismus – der sozialistischen Ideologie, welche den Gedanken von Ägyptens Gamal Abdel Nasser (des damaligen ägyptischen Präsidenten) entsprungen war.  / Zalmay Khalilzad, ‘We Misled You’: How the Saudis Are Coming Clean on Funding Terrorism, September 2016, in Politio Magazine, Referenz https://www.politico.com/magazine/story/2016/09/saudi-arabia-terrorism-funding-214241/

Es lag im Stabilitätsinteresse der saudischen Monarchie, sozialistischen Bestrebungen im arabischen Raum , also auch denen des ägyptischen Präsidenten Nasser, vorbeugend entgegenzutreten. Konservative Islamisten stellten dazu die geeigneten Bundesgenossen dar. Ein Schulterschluss mit amerikanischen Kräften bot sich gleichfalls an, denn diesen unterstellte man selbstverständlich eine aufrichtig anti- Leninistische Haltung. Der abschließende Erfolg dieser Anstrengungen gegen Nassr motivierte die Saudis, sich später auch dem amerikanisch-pakistanischen Bündnis gegen die Sowjets in Afghanistan anzuschließen. “Pakistan viewed the Soviet presence in Afghanistan beginning in 1979 as an existential threat." So Pakistan’s Inter-Services Intelligence (ISI) agency was more than enthusiastic to train "Pashtun (Afghan) mujahideen to fight the Soviets with Saudi and U.S. assistance”. – Pakistan sah die sowjetische Präsenz in Afghanistan ab 1979 als eine existenzielle Bedrohung an. So war Pakistans Geheimdienst Interservice Intelligence (ISI) mehr als begeistert, paschtunische (afghanische) Mujahidin (Kämpfer) zu trainieren, um die Soviets mit saudischer und amerikanischer Unterstützung zu bekämpfen. / Adam Weinstein, The Real Largest State Sponsor Of Terrorism, 03/16/2017, in The Huffpost, Referenz: https://www.huffpost.com/entry/the-real-largest-state-sponsor-of-terrorism

In Saudiarabien waren das Königshaus und die königstreuen Wahhabiten traditionell schon immer an der Erhaltung eines streng salafistischen Islam interessiert, denn dieser bildete das Fundament für die Macht der geistlichen Führer und deren Macht wiederum das Fundament für die des Königshauses. Die Allianz mit den Amerikanern in Afghanistan brachte für dorthin entsandte Prediger jedoch zwangsläufig eine folgenschwere Vermengung ihrer fundamentalistischen religiösen Botschaft mit der militärischen Ausbildung der Kämpfer in teilweise denselben Zentren mit sich – und damit deren Radikalisierung. Der abermalige Erfolg des Bündnisses mit den USA – die Sowjets zogen 1989 aus Afghanistan ab – war sehr zur Ermutigung der politischen wie der religiösen Führung in Saudiarabien geeignet, viele weitere fundamentalistische Madrassas (Seminare) in verschiedenen islamischen Ländern einzurichten, um dort wahhabitisch-salafistisches Gedankengut zu lehren. Solche radikalislamischen Madrassas haben sich zunehmend zur unerschöpflichen Quelle gewaltbereiter junger Männer entwickelt, indem keineswegs die meisten, aber regelmäßig einige der dort Ausgebildeten ihren Weg zu militant islamistischen Organisationen gefunden haben und weiterhin finden. Doch selbst die nicht physisch Gewalttätigen tragen weltweit zwei sehr bedenkliche Tendenzen in die islamischen Gesellschaften (und Parallelgesellschaften), erstens einen zunehmenden Konformitätsdruck, indem neben vielen anderen Dingen auch die Kleidung, insbesondere für Frauen, vorgeschrieben sein soll und zweitens eine wachsende Inkompatibilität und Intoleranz gegenüber Nichtmoslems.

In diese allerhöchst gefährlichen Mechanismen der Radikalisierung konnte und kann bis heute (selbstverständlich) niemand auf der Welt genauere Einblicke gewinnen als die verschiedenen amerikanischen Geheimdienste. - Aber “the fact that Saudi Arabia promoted a resurgence of Islamic fundamentalism in order to counter the Soviet Union did not alarm the U.S. intelligence community. Ayatollah Khomeini’s Islamic Revolution in Iran cemented Saudi Arabia’s position as the " the lesser of two perceived evils”. – Die Tatsache, dass Saudi Arabien ein Wiedererstarken des islamischen Fundamentalismus vorantrieb, um die Sowjetunion abzuwehren, hat die US-Geheimdienste nicht alarmiert. Ayatollah Khomeinis islamische Revolution im Iran zementierte die Position Saudi Arabiens als die des geringeren von zwei Übeln. / Adam Weinstein, The Real Largest State Sponsor Of Terrorism, 03/16/2017, in The Huffpost, Referenz https://www.huffpost.com/entry/the-real-largest-state-sponsor-of-terrorism 

Eines der vielen “nicht alarmierenden” Ergebnisse solcher Erziehungsarbeit in neu eingerichteten Madrassas konnte man in Bangladesh beobachten, einem Land, in welchem der Islam traditionell in einer weniger strengen und mit “westlichen” Lebensgewohnheiten weitgehend kompatiblen Form praktiziert wurde. Doch nach einer Serie von Horrormeldungen in den Medien hat das Zusammenleben viel von seiner Lockerheit verloren. Besagte Meldungen bezogen sich auf rund 200 Fälle, in denen freiheitlich eingestellte Personen von fanatisierten Salafisten aufgespürt und mit Macheten regelrecht abgeschlachtet worden waren. Die Tatserie endete erst 2016, als einige der Täter zum Tode verurteilt wurden – aber das Trauma hat viele freiheitlich eingestellte Menschen aus dem Land getrieben und die Gesellschaft gespalten. Darüber hinaus haben die Vorgänge gezeigt, wie leicht eine islamische Bevölkerung radikalisiert werden kann – und wie groß die Aufgabe und Verantwortung der religiösen Vertreter ist, solche Tendenzen nachhaltig abzustellen.

Mit dem Anschlag auf das World Trade Center am 11. September 2001 war für islamistische Milizionäre und ihre Unterstützer ein grundlegender Wandel der politischen Landschaft eingetreten. Denn die amerikanischen Verbündeten aus dem gemeinsamen Kampf gegen die Sowjets in Afghanistan hatten aus Anlass des Anschlages eine ihrer typischen 180-Grad-Wendungen vollzogen und die zuvor befreundeten islamistischen Milizionäre nun als Erzfeinde ins Visier genommen. Für “westliche” Medienkonsumenten war diese Kehrtwende allerdings kaum als solche wahrnehmbar, da die wahren Ereignisse in Afghanistan zur sowjetischen Besatzungszeit größtenteils im Nebel gehalten worden waren. Diesen letzteren hatte der Historiker Alfred McCoy zwar für ein aufgeklärtes Publikum lichten können (siehe Anfang Kapitel A 23.), nicht jedoch für die mediengläubige Mehrheit. 

Saudi-Arabien und andere Ölstaaten hatten sich allerdings mit ihrer langjährigen Unterstützung radikalislamischer Kräfte in eine Falle begeben, ohne ihre Politik prinzipiell geändert zu haben – denn seit dem 11. September 2001 bewegen sie sich in den “westlichen” Medien in einer Grauzone des Verdachts, auf der Seite der Bösen engagiert zu sein. – Dass es bis heute nie zu einem offenen Anprangern der Saudis wegen Terror Unterstützung und Radikalisierung gekommen ist, verdankt es seinen vermeintlichen amerikanischen Freunden, welche mit “bewährten” Strategien gegen ein beschädigtes Image zur Hand sind - Vertuschung und Ablenkung. Die Vertuschung übernehmen u.a. Psycho- und Werbeexperten, die den Scheichs mit geeigneten Medienbeiträgen oder kleinen Tricks eine weisse Weste besorgen. Gibt man beispielsweise auf Suchmaschinen wie Google, Bing, Metager oder Yahoo “saudí terrorist funding” ein, erhält man eine große Zahl brauchbarer Ergebnisse. Wiederholt man diese Suche bei “Microsoft Bing”, erhält man nicht ein einziges relevantes Ergebnis, dafür aber seitenweise Beiträge über die Terrorförderung durch Qatar. Damit liegt nicht nur ein Beispiel für Vertuschung vor, sondern zugleich eines für Ablenkung. Für diese letztere sorgt ansonsten die routinemässige Präsentation des Iran in in seiner Rolle als Bösewicht und Wurzel des Terrorismus. Die Saudis haben sich in diese inszenierte Hetze gegen das schiitische Land hineinziehen lassen - und damit einen fatalen Fehler begangen – siehe Kapitel B 8.

“However, out of the 61 groups that are designated as terrorist organizations by the U.S. State Department, the overwhelming majority are Wahhabi-inspired and Saudi-funded groups, with a focus on the West and Iran as their primary enemy”. – Allerdings handelt es sich bei der überwältigenden Mehrheit der 61 vom U.S.-Außenministerium als Terrororganisationen bezeichneten Gruppen um solche, die wahhabitisch inspiriert sind, von Saudi Arabien finanziert werden und die auf den Iran und den “Westen” als ihre Hauptfeinde fokussiert sind. / Adam Weinstein, The Real Largest State Sponsor Of Terrorism, 03/16/2017, in The Huffpost, Referenz https://www.huffpost.com/entry/the-real-largest-state-sponsor-of-terrorism 

Diese Analyse bestätigt die bereits in Kapitel B 8. begründete Einschätzung, dass es sich selbst bei den jahrzehntelang stabilen und als freundschaftlich geltenden Beziehungen zwischen (den Kapitalisten in) den USA und Saudi Arabien in keiner Weise um eine aufrichtige Partnerschaft oder wenigstens um ein konsistent angelegtes Zweckbündnis für gemeinsame nachhaltige Ziele handelt. Konsistenz kann auch nicht bestehen, solange beide Seiten in sich tief gespalten sind – die USA in die Bürger der amerikanischen Nation einerseits und die superreichen Kapitalisten andererseits und die Saudis in authentisch prowestlich orientierte Vertreter des Königshauses und kompromisslos islamistische Kräfte. Letztere meinen den Islam zu fördern, indem sie mit viel Geld weltweit radikale Madrassas/ Seminare einrichten, deren Erziehungsergebnisse jedoch in einer Verschlechterung bis geradewegs Zerstörung der Kompatibilität des Islam mit anderen Religionen sowie generell mit der Zivilisation besteht. 

Doch Inkompatibilität und Zerstrittenheit ihrer weltweiten “Untertanen” auf möglichst vielen Ebenen entspricht genau den Vorstellungen der Mächtigen. Der Geldsegen vom Persischen Golf für radikale Madrassas, für Raketen der Hamas und für die Bewaffnung von Terrormilizen ist daher willkommen. So verwundert es nicht, dass diese Aktivitäten mit den Einsätzen des amerikanischen Militärs gut harmonieren, so auch 2011 in Libyen. Denn mit der dortigen militärischen Intervention sowie mit der folgenden Beseitigung Gaddafis wurde ein stabiles Ordnungsgefüge ersatzlos zerstört und den globalen Machtinteressen des Großkapitals geopfert. Erstens verschwand mit Gaddafi eine politische Kraft, die für Einigkeit zwischen den arabischen Staaten und für Verständigung zwischen islamischen Glaubensrichtungen stand. Zweitens hatte Libyen nach dem 11. September 2001 die Unterstützung terroristischer Gruppen ausdrücklich aufgegeben, drittens wurde das Land nicht befreit, sondern geteilt und destabilisiert, viertens wurde eine Migrationsschleuse von Afrika nach Europa eingerichtet, fünftens konnten Terroristen südlich der Sahara von “überschüssigen” Waffen aus dem libyschen Konflikt profitieren, mit denen sie sechstens Migrantenströme in Bewegung setzen. “… the world’s deadliest terrorist organization, the Nigerian Boko Haram, has accumulated large quantities of weapons and ammunition from Libyan stockpiles — a direct consequence of NATO’s war on Libya… Just as the NATO invasion of Libya has helped arm Boko Haram …, it has also helped the … terrorist organization ISIS, gain influence in Libya, itself.”. - … die tödlichste Terrororganisation der Welt, die nigerianische Boko Haram, hat große Mengen an Waffen und Munition aus libyschen Lagerbeständen angesammelt – eine direkte Konsequenz des NATO-Krieges in Libyen… Ebenso wie die NATO-Invasion Libyens geholfen hat, Boko Haram zu bewaffnen, hat sie ebenso der … Terrororganisation ISIS geholfen, in Libyen selbst Einfluss zu gewinnen.  / Warren Mass, NATO Weapons Helped Make Boko Haram World’s Deadliest Terror Group, in The New American 2015, Referenz https://thenewamerican.com/nato-weapons-helped-make-boko-haram-worlds-deadliest-terror-group/

Die islamistische Terrororganisation Boko Haram operiert im islamischen Norden Nigerias und in angrenzenden Staaten. Ihr Name ist bereits Programm, denn er bedeutet "Western education is forbidden" - Westliche Bildung ist verboten. “Boko Haram promotes a version of Islam which makes it "haram", or forbidden, for Muslims to take part in any political or social activity associated with Western society. This includes voting in elections, wearing shirts and trousers or receiving a secular education”. – Boko Haram leistet einer Version des Islam Vorschub, welche es für Moslems “haram” oder verboten macht, an irgendeiner politischen oder sozialen Aktivität teilzunehmen, die mit der “westlichen” Gesellschaft zu tun hat. – Das schließt die Teilnahme an Wahlen, das Tragen von Hemden und Hosen oder das Empfangen einer weltlichen/ nicht religiösen Ausbildung ein. / BBC News, Who are Nigeria's Boko Haram Islamist group?, in BBC News 24.11.2016, Referenz https://www.bbc.com/news/world-africa-13809501

Bürger daran zu hindern, an Wahlen teilzunehmen heißt, sie einer nicht autorisierten Macht auszuliefern. Darüber hinaus bedeutet die Zerstörung von Schulen und die Entführung oder gar Tötung von Lehrern und Schülern einen Angriff auf die Zivilisation. Damit stellt sich diese Terrororganisation achtlos gegen dasjenige System, welchem auch sie wie 90 % aller Erdbewohner ihr Leben zu verdanken haben (erläutert in Kapitel B 1., letztes Drittel). – Die Möglichkeit der Menschen, eine individuelle wie auch eine gesellschaftliche Höherentwicklung entsprechend der Vision von Karl Marx zu vollziehen, wird damit dem unreflektierten Verharren in einer fehlinterpetierten Tradition geopfert. Hypokrisiefrei und nach dem Grundsatz, dass man sich stets auch in (meistens nur vermeintliche) Feinde hineinversetzen soll, können “westliche” Bürger allerdings auch erkennen, wie viele kapitalistische Entgleisungen sie untertänig hingenommen oder aktiv mitbetrieben haben, die dem “westlichen” Ansehen Schattseiten geben und damit radikalen Islamisten argumentative Munition liefern. Das gilt beispielsweise für die unkontrollierte Machtentfaltung der Finanzwirtschaft, für verbreiteten Alkoholismus und Drogenkonsum, für die Desintegration der Familien und die Kinderfeindlichkeit, für die Respektlosigkeit gegenüber erfahrenen Menschen und für die Pornographie im Internet (wo sie Kindern faktisch zugänglich ist, während die dagegen erlassenen Gesetze keinerlei Abhilfe, sondern nur bürokratische Komplizierung bringen).

Mit ihrer passiven Erduldung oder aktiven Mitverursachung derartiger objektiver Dekadenzerscheinungen haben “westliche” Bürger dazu beigetragen, das Wirksamwerden des alten stabilisierenden Prinzips zu unterminieren, welches auf der unangreifbaren Position einer Führungsmacht oder entsprechenden Allianz beruht. Denn dieses ist zu 100% psychologischer Natur, indem die Souveränität bei den Mitgliedern anderer Völker Achtung und Respekt erzeugt, bei intelligenteren Individuen auch Anerkennung der objektiven Leistungen, auf welchen diese Souveränität beruht. 

Auf dem konsequent destruktiven Kurs der Kapitalisten stellt der fundamentale Stabilitätsfaktor Respekt ein zentrales Angriffsziel dar und entsprechend groß ist der Facettenreichtum der systematischen Attacken und der verwendeten Waffen. Zu letzteren gehört auch – als eine der wirksamsten - der hartnäckig propagierte Antipatriotismus. In Europa lebende Menschen mit Migrationshintergrund können beobachten und spüren, dass europäische Politiker weder ihre eigene Nation, noch die freiheitliche Demokratie, noch die eigenen kulturellen Wurzeln klar vertreten. Wie in den Kapiteln A 25. und B 4. festgestellt wurde, ist die Selbstachtung der europäischen Bürger unter dem Antipatriotismus dermassen stark geschrumpft, dass es auch für anpassungswillige Migranten immer weniger Ansatzmöglichkeiten gibt, Respekt zu applizieren und immer weniger “Nation”, in welche sie sich integrieren könnten.

Der inflationäre Respektverlust ist auch den gehäuften militärischen Misserfolgen der USA - angefangen mit dem Vietnamdesaster - zuzuschreiben. Zum letztgenannten wurde noch eine Steigerung gefunden - mit dem von George W. Bush erklärten “Krieg gegen den Terror”. Die monetären Kosten für diesen Totalflop werden auf eine Billion US-Dollar (in amerikanischer Schreibweise trillion) veranschlagt. Die politischen Kosten liegen immens viel höher, indem der von Anbeginn vorprogrammierte Misserfolg die Welt einen weiteren Schritt weg von der Freiheit und hin zu einer Diktatur des UNO-Weltstaates führt. Von Anbeginn vorprogrammiert war das Fiasko, indem Terrorismus psychosoziale Ursachen hat und diese nicht mit militärischen Mitteln abgestellt werden können. – Dem Terrorismus liegt die perverse Doktrin zugrunde, dass man politisch Andersdenkende töten muss, damit sich die vermeintlich richtigen eigenen Ansichten behaupten. Statt diese Doktrin als solche anzuprangern und die Täter dadurch moralisch zu isolieren, hat man sie selbst übernommen und seinerseits versucht, vorgeblich falsche Ansichten durch das Töten von Personen mit diesen Ansichten zu bekämpfen (siehe Kapitel B 8. zur Evolution der Gesellschaftsformen).

Terrorismus ist der radikal-militante Modus des Tribalismus. Psychologisch versteht er sich als zornig-aggressive Auflehnung gegen diejenigen Kräfte, denen (teilweise berechtigt) die Schuld an der eigenen frustrierenden Lage zugeschrieben werden, namentlich Schuld an Entwurzelung, an wirtschaftlicher Perspektivlosigkeit und an kultureller Demütigung. Denn die Eingriffe der USA in verschiedenen muslimischen Ländern fanden durchweg nicht mit dem Profil und dem Auftreten eines authentischen Befreiers statt, sondern mit dem eines arroganten Eroberers und selbsternannten Richters. Im Falle Afghanistans brachte dieser Richter islamistische Milizionäre und damit seine eigenen langjährigen Bundesgenossen bzw. diesen nahestehende Gruppen aus der Zeit bis 1989, bereits 12 Jahre später auf die Anklagebank. Dabei hätten die USA dort wie auch in Somalia (s.u.) nicht nur die Radikalisierung ihrer Partner verhindern können. Sie hätten auch unter einfühlsamer Respektierung der islamischen Ordnungsstrukturen und unter dem Leitmotiv authentischer Hilfestellung erfolgreich auf eine behutsame Einführung demokratischer Elemente sowie auf eine allgemeine Verbesserung der Sicherheitslage und der wirtschaftlichen Entfaltungsmöglichkeiten hinarbeiten können. Es sind solche einer fehlenden Wertschätzung entspringenden (Menschen als Werkzeuge betrachtenden) emotionalen Verwerfungen, die einen polarisierenden Regelkreis beflügeln, in welchem sich trotzig-radikale Prediger und zornige Milizionäre gegenseitig den Boden bereiten. In der Kameradschaft der salfistischen Koranschulen und Milizen ist es verständlicher Weise leicht, ein gemeinsames Feindbild aufzubauen, das wie überall auf der Welt keinen Raum für ein – rational mögliches und stets hilfreiches – Verständnis für den vermeintlichen Feind lässt. Die von den Amerikanern unterstützten (demokratisch gewählten) afghanischen Politiker trugen von Vornherein den Makel von Kollaborateuren einer fremden Macht und sie hatten zudem sehr bald den Ruf, korrupt zu sein. So wundert es nicht, dass viele afghanische Bürger die Herrschaft der Taliban-Milizen vorzogen bzw. vorziehen, obwohl deren strenge Durchsetzung islamischer Regeln keineswegs auf breite Begeisterung stößt. 

Unter solchen Umständen konnte es der vom Kapitalismus unterminierten amerikanischen Demokratie in rund 20 Jahren selbstverständlich nicht gelingen, den Afghanen das freiheitlich-demokratische Modell in attraktiver Form zu präsentieren und auf das bestehende islamische und von einem Stammesführersystem geprägte Gesellschaftsgefüge anzupassen. Denn wie in Kapitel A 34. erläutert, muss sich eine Gesellschaft in Ruhe harmonisch entwickeln können, wohingegen ein voreiliges Überstülpen fertiger fremder Modelle regelmässig in Instabilität einmündet. Dabei lagen genügend historische Beispiele vor, aus denen hätte gelernt werden können, so bei den meisten der in den 1960er und 1970er Jahren unvorbereitet in die Unabhängigkeit entlassenen afrikanischen Staaten südlich der Sahara. Das Fehlen der vorbereitenden Entwicklung der Bürger zu einem freiheitlichen Bewusstsein war auch die Ursache dafür, dass die demokratisch motivierte Bewegung des “Arabischen Frühlings” 2010 scheiterte, indem es umgekehrt (“zufällig” bestens organisierte) islamistische Kräfte waren, die den Sturz der alten Diktaturen in eine demokratie ferne und radikal islamische Richtung abzufälschen verstanden. Dieser historische Wendepunkt nach rückwärts offenbarte bereits das völlige Scheitern der offiziell verkündeten amerikanischen Nordafrika- und Nahost Politik. Schaut man nach den Ursachen, so ist es zum einen die Entfernung des „Westens“ und speziell der USA von einer authentisch freiheitlichen Demokratie (statt deren Weiterentwicklung) und damit ein Verlust an Vorbildstatus. Die Dekadenz-Erscheinungen in den „westlichen“ Gesellschaften haben den Effekt noch verstärkt, so dass von dem noch vor rund 60 Jahren gegebenen weltweiten Respekt gegenüber den USA schon vor dem Afghanistan-Debakel wenig übrig geblieben war. Der würdelose endgültige Truppenabzug im August 2021 lieferte den passenden Rahmen für den Sturz der ehemaligen Ordnungsmacht. So wie das Vietnam Debakel von 1975 eine Einzelabrechnung für 20 Jahre Versagen geliefert hat, so brachte das Afghanistan Debakel von 2021 die Endabrechnung für 76 Jahre erfolgloser Nachkriegspolitik (eingeschlossen ein verfehltes Management der letzten Monate des II. Weltkrieges, die eine wesentlich zu starke Sowjetunion und ein von dieser bevormundetes Osteuropa hinterlassen haben). 

Dabei hat ausgerechnet der als Monster verteufelte Iran bereits 1979 einen gangbaren Weg aufgezeigt, wie sich muslimische und westlich-demokratische Elemente behutsam miteinander verbinden lassen. Die besondere Rolle des Islam in der Verfassung wird nicht nur einer langen Tradition gerecht, sondern auch dem demokratischen Willen der Iraner, welche dieser Verfassung mit grosser Mehrheit in einem Referendum zugestimmt haben. So hat Persien nach 3000-jähriger Geschichte den Anschluss an die zivilisierten Länder bewahrt, indem das Selbstbestimmungsrecht nach Artikel 1 der Charta der Vereinten Nationen geachtet wird, ohne dafür mit seiner kulturellen Tradition zu brechen. Wie in Kapitel A 27. gesehen gibt es streng genommen weltweit überhaupt keine hundertprozentig konsequente Demokratie, indem sich alle Gesellschaften in einer mehr oder weniger vergleichbaren Position von Lernenden und sich Entwickelnden befinden – so dass auch keiner die Rolle eines prügelnden Lehrmeisters zusteht, wie sie den USA aber seitens der Finanzmächtigen zugewiesen wurde. Natürlich kann der Iran mit der Scharia als gültiger Rechtsordnung nur mit deutlicher Einschränkung zum Kreis der befreundeten Staaten mit ähnlichen Wertvorstellungen rechnen, aber damit steht er keineswegs alleine da und das rechtfertigt keinen Monsterstatus. (Die Bemühungen auf atomtechnischem Gebiet sind davon getrennt zu bewerten.)

Jede Gesellschaft ist frei, sich in demokratischer Abstimmung auch für gewisse Einschränkungen der persönlichen Freiheiten zu entscheiden, wie im Iran, wo die 1979 zur Abstimmung vorgelegte Verfassung die islamische Rechtsordnung der Scharia beinhaltet.

Die Beschneidung persönlicher Freiheiten zugunsten des islamischen Traditionserhalts hat eine teilweise Inkompatibilität mit der auf römischem Recht basierenden freiheitlich-demokratischen Zivilisation zur Folge. Namentlich gilt das für die rechtliche Stellung der Frauen u.a. im Erbrecht, nach welchem ihnen nur die Hälfte des Anteils zusteht, den ein männlicher Erbe erhält. Indem auch die Zeugenaussage eines Mannes vor Gericht so viel zählt wie die Aussagen zweier Frauen, das Scheidungsrecht asymmetrisch gestaltet ist und indem eine eingeschränkte Bewegungsfreiheit und strenge Kleiderordnung vorgeschrieben sind, liegt insgesamt ein nur mit dem Geschlecht begründeter minderer Rechtsstatus vor, der nicht der UNO-Charta entspricht.

Statt sich am islamkompatiblen halb demokratischen Modell der Islamischen Republik Iran  und an dem des Kemal Atatürk aus den 1920er Jahren als Vorbild für andere Länder zu orientieren und gemeinsam nach weiteren Verbesserungsmöglichkeiten zu suchen, hat die psychologisch unqualifizierte amerikanische Einmischung in muslimische Angelegenheiten Widerstand provoziert und polarisiert. Statt dem Gedanken der freiheitlichen Demokratie und Lebensweise neue Freunde hinzuzugewinnen, hat man sich unter hohen Kosten ein Feindbild-Profil zugelegt, das in Verbindung mit dem genannten Respektverlust sicherheitspolitisch destabilisiert.

Diese irrational programmierte amerikanische Politik gegenüber der islamischen Welt stellt allerdings nur den unausbleiblichen Ausdruck einer anderen, dafür ursächlichen Fehlentwicklung dar, nämlich derjenigen der inoffiziellen Macht des großen Geldes - siehe Kapitel B 8..

Denn deren Antiprinzip der geheimen wahren Ziele bringt es mit sich, dass alle Einzelpersonen und alle Gruppen unterhalb der Spitze keine echte Wertschätzung erfahren und nur als Mittel zum Zweck benutzt werden. Dieser wahre Zweck ist seiner Natur nach allerdings selbst eine Illusion, indem die Mächtigen ihre wahren Interessen fehleinschätzen. Es sollte “etwas” nachdenklich stimmen, dass die unechte Fassade des Kapitalismus für aufmerksame Beobachter bereits vor gut 100 Jahren erkennbar war – und zwar an der Politik seiner ersten Hochburg Großbritanniens. Dr. Sun Yat-sen (1866-1925), chinesischer Gesellschaftsphilosoph und bedeutender Politiker, war ein solcher Beobachter. “When England befriends another country, the purpose is not to maintain a cordial friendship for the sake of friendship but to utilize that country as a tool to fight a third country. When an enemy has been shorn of his power, he is turned into a friend, and the friend who has become strong, into an enemy”. – Wenn England sich mit einem anderen Land anfreundet, besteht nicht die Absicht, eine herzliche Freundschaft um der Freundschaft willen zu schliessen, sondern um dieses Land als Werkzeug zu benutzen, um ein drittes Land zu bekämpfen. Ist ein Feind seiner Macht entledigt, wird er in einen Freund verwandelt, und ein Freund, der stark geworden ist, in einen Feind. / / Sun Yat-sen, The Vital Problem of China, 1917, zitiert in Matthew Ehret, Sun Yat-sen’s Advice to Young Revolutionaries, 2021 in Rising Tide Foundation, Referenz https://risingtidefoundation.net/2021/02/17/sun-yat-sens-advice-to-young-revolutionaries/

Inzwischen ist klar, dass auch England bzw. das Vereinigte Königreich selbst nur als Werkzeug benutzt wurde, nämlich vom Finanz-Establishment - und dass dieses mittlerweile über noch viele weitere Werkzeuge verfügt, allen voran die USA und die UNO, im erweiterten Sinne aber offenbar die Mehrzahl der Staaten weltweit. Der Arm der Kapitalisten kann so weit reichen, wie die “westliche” Medienpropaganda reicht und wie das internationale Finanzsystem, eine grosse Zahl systemstützender Organisationen sowie die beteiligten Geheimdienste operieren können. 

Als 1998 Bombenanschläge auf die beiden amerikanischen Botschaften in Dar es Salam/ Tansania und Nairobi/ Kenya verübt wurden, erhielt die CIA den Auftrag, die Verantwortlichen aufzuspüren. Der Geheimdienst nahm dazu Kontakte im benachbarten Somalia auf, und zwar zu 11 lokalen Anführern, sogenannten Warlords. “They asked the warlord to help the CIA hunt down particular suspects, including F. Mohammed, Abu T. al-Sudani, and Saleh N. In return, the agents promised that the CIA would finance the operation and upgrade the warlord’s military force. … One of the warlords, Mohamed Qanyare Afrah, later told journalist J. Scahill that the CIA gave him $100,000 to $150,000 per month for his services.”. - Sie (die Agenten) baten den Warlord, der CIA zu helfen, bestimmte Verdächtige zu jagen, darunter F. Mohammed, Abu T. al-Sudani und Saleh N… Später erzählte einer der Warlords dem Journalisten J. Scahill, dass die CIA ihm 100.000,- bis 150.000,- Dollar im Monat für seine Dienste bezahlte. / Harun Maruf und Dan Joseph, Inside A-Shabab, Bloomington/ Indiana 2018

Die Operation dauerte jahrelang und brachte die Festnahme von 10 bis 20 Verdächtigen, wobei unklar blieb, inwieweit sich auch tatsächliche Täter von Nairobi darunter befanden. Die unverhältnismäßig hohen Kosten für den amerikanischen Steuerzahler waren aber nicht das eigentliche Desaster. Dieses bestand vielmehr in dem folgenschweren Eingreifen in das Sicherheitsgefüge Somalias, wobei wie gewöhnlich das psychologische Feingefühl zu vermissen war, welches beim Umgang mit Menschen einer anderen Kultur auf deren Territorium Erfolgsvoraussetzung ist. “Once they realized the warlords were working with the CIA, New Salafist and pro-ICU figures launched a counter-operation to kill enemy warlords and their suspected collaborators. They targeted anyone they thought was helping the Americans” – Nachdem sie gemerkt hatten, dass die Warlords mit der CIA zusammenarbeiteten, starteten (die Gruppe) New Salafist und Anhänger der ICU (eine etwas gemäßigte Gruppe) eine Gegenoperation, um feindliche Warlords und ihre vermuteten Kollaborateure zu töten. Sie nahmen sich jeden zum Ziel, von dem sie glaubten, dass er den Amerikanern helfen würde. / Harun Maruf und Dan Joseph, Inside Al-Shabaab, Bloomington, Indiana 2018

Da es darum ging, den internationalen Terrorismus mit Hunderttausenden von Kämpfern zu stoppen, musste die Leitfrage nach den beiden Attentaten von 1998 lauten, wie derartigen Vorgängen in der Zukunft vorgebeugt werden kann. Die von Politik und Medien fokussierte Festnahme individueller Täter konnte da nur ein nebensächliches Ziel darstellen, zumal die Tätersuche durch amerikanische Ermittler in Ostafrika die Gefahr von störenden Eingriffen in die Souveränitätsrechte dortiger Staaten mit sich bringen musste.

So offenbart das Vorgehen der beteiligten Geheimdienstagenten das Ignorieren einfachster psychologischer Mechanismen. 

Bei den mächtigen Großkapitalisten im Hintergrund der amerikanischen Politik konnte das nicht angenommen werden. Allein schon der mediale Umgang mit dem tatsächlich einflussreichsten Hassprediger und Propagandisten islamischer Terrorbewegungen. Abdullah Azzam (1941 – 1989), zeigt vielmehr, dass von deren gigantischem Gefahrenpotenzial gezielt - also bewusstabgelenkt wurde. – Dies gelang unter anderem durch die schwerpunktmäßige Präsentation eines seiner Schüler - Osama Bin Laden. Dieser repräsentierte in den Medien die islamistischen Terroranschläge im “Westen”, während das Kernproblem des flächendeckend anschwellenden Terrors in Afrika auf ganzer Medienfront aus dem Fokus  gehalten wurde und wird. ”The Muslim leader most responsible for expanding the jihad into a full-blown international holy war without borders was not Osama Bin Laden, … but a leader whose name remains today virtually unknown to the West – Sheikh Abdullah Azzam.– Der am meisten für die Ausweitung des (afghanischen) Jihad in einen umfassenden internationalen Heiligen Krieg ohne Grenzen verantwortliche Moslemführer war nicht Osama Bin Laden, … sondern ein Führer, der im Westen bis heute praktisch unbekannt ist – Sheih Abdullah Azzam. / Steven Emerson, Osama bin Laden; The Past, in IPT  The Investigative Project on Terrorism, Referenz https://www.investigativeproject.org/profile/103/abdullah-azzam der 

Aber nicht nur die Medien, auch Politik und Geheimdienste haben Abdullah Azzams absolut unübersehbare Aktivitäten ignoriert.. “Azzam visited cities throughout the Middle East, Europe, and North America—including a reported fifty in the United States—to make speeches, raise money, and enlist fighters. Western governments didn’t object; Azzam’s group was battling the Soviets“. – Azzam besuchte Städte quer durch den Mittleren Osten, Europa und Nordamerika – bekanntermaßen einschließlich fünfzig in den Vereinigten Staaten – um Reden zu halten, Gelder einzusammeln und Kämpfer anzuwerben. Westliche Regierungen nahmen davon keine Notiz; Azzams Gruppe befand sich im Kampf gegen die Sowjets. /, in IPT  The Investigative Project on Terrorism, Referenz https://www.investigativeproject.org/profile/103/abdullah-azzam der

Azzams Auftritte in den USA fanden zwischen 1985 und 1989 statt, als die afghanischen Taliban tatsächlich Verbündete gegen die Sowjetunion waren. Doch die hasserfüllten Botschaften, die Azzam damals mit großer Resonanz an Moslems in aller Welt richtete, hatten generell Christen und Juden als Feindbilder im Fokus und lagen damit weit abseits des Bündnisgedankens zwischen den USA und islamistischen Milizen zur Bekämpfung der Sowjetunion und des leninistischen Systems. "Today, humanity is being ruled by Jews and Christians, the Americans, the British and others. And behind them, the fingers of world Jewry, with their wealth, their women and their media“. – Heutzutage wird die Menschheit von Juden und Christen regiert, den Amerikanern, den Briten und anderen. Und hinter ihnen die Finger des Welt-Judentums mit seinem Reichtum, seinen Frauen und seinen Medien. / Steven Emerson, Osama bin Laden; The Past , in IPT  The Investigative Project on Terrorism, Abdullah Azzam, Referenz https://www.investigativeproject.org/profile/103/abdullah-azzam

Was Azzam für die Kapitalisten so wertvoll machte, war der Umstand, dass dieser mindestens drei ihrer Ziele mit grosser Vehemenz bediente:

  1. Polarisierung zwischen den drei Religionsgruppen Juden, Christen und Moslems 
  2. Propagierung purer Gewalt als Strategie “Jihad and the rifle alone!” – “Nur heiliger Krieg und das Gewehr”, war einer der Slogans, die er predigte. / Counter Extremism Project, Abdullah Azzam, Referenz https://www.counterextremism.com/extremists/abdullah-azzam
  3. Bedienung des Klischees von einer ”heimlichen Herrschaft der Juden” – und damit Rückendeckung für den abgeschotteten, unsolidarischen Zirkel der tatsächlich Mächtigen, die hinter diesem Klischee ihre perfekte Tarnung gefunden haben – zu Lasten der jüdischen Gemeinschaft und zu Lasten der Menschheit, welche ohne eine dauerhafte Aussöhnung zwischen den drei monotheistischen Religionsgruppen in der Spirale der Gewalt gefangen bleibt.

Als gebürtigem Palästinenser darf man Abdullah Azzam zugute halten, dass sich sein Hass auf Juden, Christen und generell auf den “Westen” als Produkt seiner Lebensumstände erklärt (selbstverständlich nicht entschuldigt), die er offenbar als tiefe kulturelle Demütigung erlebt hat – siehe Anlage C 7. “Azzam combined hatred for the West – Christians and Jews – whom he routinely accused of carrying out diabolical conspiracies against Islam, with a nostalgia for the days of the Islamic caliphate, when non-Muslims were treated formally as second-class citizens”. – Azzam kombinierte einen Hass gegen den Westen – Christen und Juden – die er routinemässig diabolischer Konspiration gegen den Islam beschuldigte, mit einer Nostalgie für die Tage des islamischen Kalifats, als Nicht-Moslems offiziell als Bürger zweiter Klasse behandelt wurden.  / Steven Emerson, Abdullah Azzam,.in IPT  The Investigative Project on Terrorism, Referenz https://www.investigativeproject.org/profile/103/abdullah-azzam

Aus der Perspektive der Mächtigen war Azzam eine vollautomatisch und hocheffektiv arbeitende Werkzeugmaschine, welche ihnen die im aktuellen historischen Kontext benötigten Werkzeuge lieferte und nachwirkend bis heute liefert – Jihadisten sowie radikalisierte Predigerschüler, die nach abgeschlossener Lehre ihrerseits als Werkzeugmaschinen arbeiten und Jihadisten liefern. 1989 fiel Azzam im pakistanischen Peshawar einem Anschlag zum Opfer. Zufällig war 1989 auch das Jahr, als das Bündnis zwischen den USA und den Islamisten mit dem sowjetischen Rückzug aus Afghanistan hinfällig geworden war – und damit auch der Vorwand – unter dem man ihm in den Vereinigten Staaten freie Hand lassen konnte.

Es war strategisch nachvollziehbar, als die USA 1941 begannen, die Sowjetunion (also eigentlich ihren ideologischen Widersacher) gegen den gemeinsamen Kriegsgegner Nazideutschland mit Waffen zu beliefern (allerdings unter Besetzung des neutralen Iran, um eine bequeme Logistik vom Persischen Golf aus einzurichten). Es war später ebenso strategisch nachvollziehbar, die islamistischen Milizen (teilweise Vorläufer der Taliban) gegen die inzwischen gegnerische Sowjetunion zu unterstützen - nur lag auch in diesem Fall „eigentlich“ ein klarer ideologischer Gegensatz vor. Wie im Falle der Sowjetunion halten kapitalistische Zweckbündnisse nur ebenso lange wie der Zweck selbst. Gegenwärtig stehen alle Staaten, die islamistische Terrororganisationen oder überhaupt irgendwelche Salafisten und anderen Islamisten unterstützen, bereits auf der roten Liste. Dem Vollzug eines harten Vorgehens gegen sie muss aus Sicht der Mächtigen allerdings noch ein Einzelereignis vorausgehen, der Sturz des Iran – und damit des gemeinsam fixierten Monsters, das schon jahrzehntelang von den Terrorengagements arabischer Staaten am Persischen Golf ablenkt. 

Das Antikonzept, Bündnisse und „Freundschaften“ als Werkzeuggebrauch zu handhaben, bestimmt bereits seit mehr als 150 Jahren weite Teile der Politik der USA. Dazu passt das inkonsistente Verwirrspiel, teils auf der Seite von radikalislamischen Milizen und teils gegen radikalislamische Milizen vorzugehen. Die reiche Ernte dieser Antistrategie besteht in einem rapiden Anwachsen gewaltbereiter Gruppen sowie in deren Fehlentwicklung Richtung Irrationalität und Grausamkeit. Dabei werden bewaffnete Gruppen zum Schutz gegen radikale Milizen aufgestellt, die aber zügig selbst ein aggressives Profil entwickeln. Traumatisierte Waisenkinder, welche die Ermordung ihrer Familien miterlebt haben (wie beispielsweise in der Zentralafrikanischen Republik) bilden ein systematisch genutztes Rekruitierungspotenzial. Die Operationsgebiete der Terrormilizen konzentrieren sich zunehmend auf das subsaharische Afrika, wo im Westen Boko Haram präsent ist und im Osten Al-Shabaab, die 2006 im bürgerkriegsgeschüttelten Somalia entstanden ist. Im Internet ist ein hervorragend recherchiertes und aufgebautes Buch frei verfügbar, dessen Lektüre aus dem politischen Tiefschlaf zu wecken vermag, in welchem sich die grosse Mehrheit “westlicher” Politiker u.a. hinsichtlich der Entwicklungen in Afrika befindet. Es stammt von Harun Maruf und Dan Joseph und heisst Inside Al-Shabaab - The Secret History of Al-Qaeda’s Most Powerful Ally 

Wie am Ende des Kapitels B 8. erläutert, fügt der aktuell sich v.a. in Afrika abspielende islamistische Terrorismus dem Ansehen der Religionsgemeinschaft erheblichen Schaden zu, ebenso wie schon zuvor die Aktivitäten des IS in Syrien und im Irak. Befremdlicher Weise ist von Aufrufen hoher islamischer Geistlicher an die militanten Akteure, die zivilisationswidrigen Aktivitäten umgehend einzustellen, nicht viel zu vernehmen. – Die für dieses merkwürdige Schweigen möglichen Gründe sind beunruhigend:

  1. 1. Uneinigkeit der verschiedenen Glaubensrichtungen, insbesondere der schiitischen und sunnitischen, so dass die islamische Glaubensgemeinschaft nach außen keine klare Positionierung präsentieren kann. 
  2. 2. Insgeheime ideologische Komplizenschaft einiger Religionsführer mit militanten Salafisten 
  3. 3. Verfolgung der menschenverachtenden Strategie, den Islam durch Terror gegen Moslems auszubreiten – indem fliehende Opfer in Migrationsströmen Richtung Europa gelenkt werden 
  4. 4. Abfiltern eventueller Aufrufe vernünftiger islamischer Führer auf der Ebene der Mainstream-Medien, namentlich der Nachrichtenagenturen, da der Mechanismus unter Punkt 3. perfekt in das Antikonzept des Großkapitals passt

Punkt 1. bedeutet, dass innerhalb des Islam militante Bewegungen in Gang kommen konnten, für deren Kontrolle keine einzelne Person, kein Gremium und keine zentrale Institution zuständig zu sein meint. Die führenden Vertreter der Religionsgemeinschaft können sich jedoch von einer Mitverantwortung für die im Namen des Islam verrichteten Greueltaten nicht allein dadurch befreien, dass sie sich verbal von diesen distanzieren. Vielmehr ist etwas von ihnen verlangt, wozu nur sie befugt und befähigt sind, nämlich den Tätern ihre behaupteten islamischen Wurzeln zu kappen, was bedeutet, diese in einer gemeinsamen (sunnitisch-schiitisch-wahhabitschen) Erklärung offiziell zu exkommunizieren und zu Nicht-Moslems zu erklären.

Mit den Punkten 2. und 3. wird das Antiprinzip der Opferung eingesetzt, indem Verstümmelung und Tod vieler Moslems in Kauf genommen wird, um noch mehr Moslems nach Europa zu schleusen.

Dass aber gar nicht Jihadisten die eigentlichen Initiatoren dieser beginnenden Völkerwanderung sind, sondern politisch Interessierte im Hintergrund, welche die Migration möglichst vieler rückständiger Menschen in die “westlichen” Länder als Ziel verfolgen, zeigen u.a. Beispiele aus nicht mehrheitlich islamischen Ländern wie Madagaskar.

“Bandits have been terrorising villages – stealing, killing victims and taking cattle owners hostage in bloody attacks… The zebu thieves, locally known as ‘dahalos’ (Malagasy for ‘bandits’) are better equipped and more organised than the police and the army. The dahalos use assault weapons,  … with brutality, and behave like armed rebel or guerrilla groups”. – Banditen haben Dörfer terrorisiert – indem sie Menschen töteten und in blutigen Attacken Vieheigentümer als Geiseln nahmen. Die Diebe von Zebu Rindern, die vor Ort als damals (“Banditen” auf Madagassisch) bekannt sind, sind besser ausgerüstet und organisiert als die Polizei und die Armee. Die “Banditen” benutzen (ihre) Angriffswaffen … mit Brutalität und verhalten sich wie bewaffnete Rebellen oder Guerillagruppen. / Deo Gumba and Riana Raymonde Randrianarisoa, Cattle theft in Madagascar, 2018, in Enact, Reference Https://enact africa.org/enact-observer/cattle-theft-in-madagascar

In derselben Quelle wird die großdimensionierte und durchorganisierte Struktur des Viehdiebstahls angesprochen, die auch den Export der Tiere einschließt. Das stimmt nachdenklich, denn der Überseehandel zählt zu den Bereichen, die bereits seit den Zeiten der East India Company weitgehend unter fester kapitalistischer Kontrolle stehen.

Auch die Migrationsbewegungen aus dem beständig in seinem Fortkommen behinderten Lateinamerika in die USA wird von kriminellen Aktivitäten begleitet, die ein teilweise ähnlich durchorganisiertes und offenbar auf gehackte oder ausspionierte Daten gestütztes Profil aufweisen. So werden Migranten, die mangels Geld für ein Ticket teilweise riesige Strecken zu Fuss unterwegs sind, häufig überfallen, obwohl sie offensichtlich fast nichts haben. Doch besteht eine hinterhältige Taktik darin, gezielt Kinder oder Jugendliche zu entführen, die Verwandte in den USA haben, um von letzterem Lösegeld zu erpressen.

Über die zunehmend bedrohliche Gesamtlage und ihre Hintergründe wird in den Mainstream-Medien absolut ungenügend informiert, sodass die Bürger ohne eine umgehende Befreiung der journalistischen Arbeit nicht nur unvorbereitet in die nächste große Krise geraten, sondern sich auch in derselben auf desaströs falsche Lösungswege locken lassen werden, wie das unverantwortliche Eingreifen mit Waffenlieferungen in den Ukraine Krieg zeigt – siehe Kommentare D 1 ff. Dabei wird Personen aus dem Sicherheitsestablishment vertraut, deren Vertrauenswürdigkeit zweifelhaft ist. 

Wird nicht umgehend auf den friedlichen und rationalen Weg umgeschwenkt, und der automatisierten Eskalation weiter Nahrung und Form von Waffenlieferungen zugeführt, ist es recht bald zu spät für Korrekturen, weil die USA selbst bereits im Begriff stehen werden, in dem Vakuum zu verschwinden, das eine unaufrichtige, jeden Respekt zerstörende kapitalistische Politik im einstmals strahlenden Namen des grossen Landes verursacht hat – siehe Kapitel A 31. - Es waren die Finanzmagnaten selbst, welche die Antitradition der Respektlosigkeit gegenüber den USA begründet haben, achtlos und ohne Wertschätzung für die zivilisatorischen Leistungen des Landes, dem sie alles zu verdanken haben – ihren märchenhaften Reichtum, ihre Freiheit und letztlich ihr Leben.