A 05
Kollaboration zwischen Staat und Kapital

Wie das Beispiel der British East India Company gezeigt hat, war die enge Verbindung mit den Schaltstellen staatlicher Macht bereits von Anbeginn an das hervorstechende Wesensmerkmal des Kapitalismus, welcher sich somit als eine staatlich privilegierte Wirtschaftsinsel für Superreiche innerhalb einer ansonsten noch teilweise intakten Marktwirtschaft präsentiert. Das ganze inhomogene, inkonsistente und unfaire System nennt sich „Mixed Economy“, in Deutschland beschönigend „soziale Marktwirtschaft“.

Privilegiert zu sein, also Vorrechte zu genießen, erfordert staatliche Bestimmungen und Gesetze, welche so zugeschnitten  sind, dass sie der bevorzugten Gruppe besonderen Nutzen verschaffen – oder aber missliebigen Wettbewerbern besondere, selektive Kosten und Hindernisse. In der Praxis „bewährt“ haben sich namentlich umständliche, bürokratische und/ oder mit hohen Kosten verbundene Auflagen, welche Kleinunternehmen regelmäßig härter treffen als große Konzerne.

Anders als es in den Medien und vielfach in der Literatur dargestellt wird, waren es nicht die Kräfte des freien Marktes, welche zur  Bildung der heute die Wirtschaft beherrschenden Oligopole grosser Konzernen geführt haben.  Denn wirklich freie Marktwirtschaft  erlaubt jederzeit ein Nachrücken von Neugründungen, sogenannten Startups, die mit neuen Ideen,  innovativen Produkten und den zugehörigen Produktionsmethoden auch sehr große Firmen im fairen Wettbewerb in Bedrängnis bringen können. Großunternehmen und dynamische kleinere Firmen koexistieren auf diese Weise in einem Fließgleichgewicht. Monopol- und Oligopolbildung zeigen dagegen Störeinflüsse an, welche die Wirkung der Marktgesetze behindern oder sogar verhindern. 

Die erwähnten Chancen für Startups existieren heutzutage selbst im innovationsstarken HighTec- und Biotec-Bereich nur noch eingeschränkt. Ihr nach den Marktregeln gegebenes Potenzial, etablierte Großunternehmen unter Druck zu bringen, spielt heute keine praktische Rolle mehr, während die zigtausendfach anzutreffende Realität darin besteht, dass ein etablierter Konzern erfolgreiche Startups – reihenweise - aufkauft.

In einem von Karl Marx nicht vorhersehbaren Ausmaß und mit verheerenden Folgen ist es dem Großkapital bis heute gelungen, seine Positionen auf allen Gebieten, namentlich Medien einschließlich Internet, Telefonie und Mobilfunk, Finanzwesen, Gesundheitswesen, Lebensmittelbranche, Handelsketten, Energieversorgung sowie allgemeine Konzernmacht erheblich auszubauen. Von den riesigen Kollektionen an Tochterfirmen kann man sich oft schon mit einer kleinen Recherche auf den Homepages der „Multis“ und kleinerer Konzerne ein Bild machen.

Indem steuerliche Sondervorteile für Konzerne eingerichtet wurden, ist der ehemals faire Wettbewerb einer massiven Benachteiligung der kleineren Unternehmen gewichen. Selbstverständlich serviert eine so überschaubare Anzahl sehr großer Anbieter pro Branche, also ein Oligopol, Gelegenheiten zur Preisabsprache; und selbst ohne Absprache funktioniert bereits ein stillschweigender Verzicht auf Unterbietung im Preis.

Das koordinierte Auftreten der Handelskonzerne als marktbeherrschendes Kartell kann die Ausweich- und Auswahlmöglichkeiten der Konsumenten aushebeln und  die Preise diktieren. Noch folgenschwerer passiert dasselbe auch auf der Einkaufsseite. – Die kleineren Betriebe der Lebensmittelbranche, anders als Lebensmittelkonzerne, sitzen bei den Preisverhandlungen mit den wenigen grossen Handelsketten prinzipiell am kürzeren Hebel und müssen Bedingungen akzeptieren, welche sie an den Rand der Überlebensfähigkeit führen – wo dann schon besagte Lebensmittelkonzerne darauf warten, sie aufzukaufen. Diese wenden dieselbe Strategie gegenüber ihren landwirtschaftlichen Zulieferern an, welche sich als Vielzahl von Farmen/ Bauernhöfen untereinander in einem fairen marktwirtschaftlichen Wettbewerb befinden, sich aber von den als Kartell auftretenden Lebensmittelmultis die Bedingungen diktieren lassen müssen. Das Resultat besteht aus fortgesetzten Betriebsaufgaben in der Landwirtschaft. Die in Europa seit vielen Jahrzehnten betriebene Politik der Subventionen und Fördermittel für die Landwirtschaft „bekämpft“ die Symptome - während sich die Ursachen in Gestalt unfairer Marktverzerrungen weiter verschlimmern. Eine Verschlimmerung stellt auch die Preisbildung für lagerfähige landwirtschaftliche  Erzeugnisse an den Handelsbörsen dar, wo  die Geldmagnaten direkt oder über besagte Konzern-Oligopole für niedrigstmögliche Preise sorgen. - Aktuell steht Indien vor einer Regierungsinitiative, der zufolge die bisher einigermaßen faire Preisgestaltung einer „Deregulierung“ nach amerikanischem Muster Platz machen soll. An der Entscheidung hängt die Frage, ob mehrere hundert Millionen Bauern bald von Armut, Verschuldung und Betriebsaufgabe bedroht sein werden.

Der von den Kapitalisten stets angestrebte besondere Profit winkt nicht innerhalb, sondern außerhalb der Marktgesetze. Der Staat, der diese exklusiven Vorteile  im Zuge seiner inoffiziellen Komplizenschaft mit dem Großkapital gewährt, erodiert dabei sein freiheitlich-demokratisches Fundament und vernachlässigt seine eigentliche Rolle als Beschützer der Rechte seiner Bürger, namentlich des Rechtsprinzips, dass vor dem Gesetz alle gleich sind.

Doch ist die Benachteiligung kleiner und mittlerer Unternehmen zur weltweiten Erscheinung geworden, indem eigens auf internationale Konzerne zugeschnittene Modelle zur Steuerumgehung existieren - der faire Wettbewerb wird ausgehebelt. Dazu tragen auch Berge von Vorschriften,  Auflagen, Sanktionsmöglichkeiten und Abgaben bei, welche im Regelfall gleichfalls so gestaltet sind, dass sie Grossunternehmen nicht nur weitaus weniger belasten, sondern durch Ausschaltung ihrer Wettbewerber definitiv fördern.

Zu den diskriminierenden Eingriffen gehören auch Strafen, welche namentlich von deutschen Finanzämtern in teilweise willkürlicher Höhe erhoben werden, womit auch das Prinzip der Rechtsklarheit untergraben wird. Spielräume für Willkür repräsentieren das Antiprinzip tribalistischer Macht, welche tendenziell die Schwächeren benachteiligt (siehe Kapitel A 18. “Anonymität, Macht …”). Ein historisches Beispiel für eine ganze Serie von Gesetzen, die einen geradezu unglaublichen Auslegungs- und damit Willkür Spielraum zulassen, bieten die amerikanischen Antitrust Laws, welche mit dem Sherman Antitrust Act von 1890 ihren unheilvollen Anfang nahmen. Diese waren unter dem Eindruck einer bereits zu jener Zeit bedenklich angestiegenen Konzernmacht entstanden und hatten zum erklärten Ziel, die weitere Konzentration wirtschaftlicher Macht zu stoppen. Doch statt klarer Rechtsprinzipien obsiegte in dieser Gesetzessammlung die Handschrift von “Pragmatikern”, welche die Konzernherrschaft mit inadäquaten und inkonsistenten Mitteln kontrollieren wollten. Ayn Rands Analyse des so entstandenen rechtlichen Rahmens für die Wirtschaft der USA lautet:

“Under the antitrust laws, a man becomes a criminal from the moment he goes into business, no matter what he does. If he complies with one of these laws, he faces criminal prosecution under several others. For instance, if he charges prices with some bureaucrats judge too high, he can be prosecuted for monopoly, or rather, for a successful “intent to monopolize”; if he charges prices lower than those of competitors, he can be prosecuted for “unfair competition” or “restraint of trade”; and if he charges  the same prices as his competitors, he can be prosecuted for “collusion” or “conspiracy"..." – Unter den Atikonzern-Gesetzen wird ein Mensch in dem Moment zum Kriminellen, in welchem er eine geschäftliche Aktivität aufnimmt, unabhängig von dem, was er macht.  Wenn er die Vorgaben eines der Gesetze erfüllt, sieht er sich einer Strafverfolgung durch mehrere andere ausgesetzt. Wenn er zum Beispiel Preise verlangt, die einige Bürokraten für zu hoch erachten, kann er wegen (eines) Monopols angeklagt werden, oder noch eher, wegen erfolgreichen “Versuchs einer Monopolisierung”; wenn er Preise unterhalb derer der Wettbewerber ansetzt, kann er wegen “unfairen Wettbewerbs” oder “Handelsbeschränkung” belangt werden; und wenn er dieselben Preise wie seine Wettbewerber verlangt, kann er wegen “betrügerischer Abmachungen” oder “Verschwörung” angeklagt werden. / Ayn Rand, Capitalism: The Unknown Ideal, a. a. O., S. 46.

Diese Gesetze existieren nun schon seit 130 Jahren, offensichtlich, weil sie sich bewährt haben – allerdings ausschließlich für das Großkapital und seine wachsenden Konzerne. Der schier unendliche Auslegungsspielraum schafft mit der Rechtsunsicherheit ein Vakuum, das für die Ausbreitung eines Faktors Platz bietet, welcher weder im fairen Geschäftsleben einer freien Marktwirtschaft noch im demokratischen Rechtssystem etwas verloren hat – Macht, konkret Macht des Geldes. In diesem faktischen Umfeld der Rechtsunsicherheit haben kleine Unternehmen und einzelne Bürger gegen Konzerne und ihr “stehendes Heer” von Anwälten eindeutig reduzierte Chancen. 

Gelegentliche Vorstöße von vernünftigen Politikern, die für eine Abschaffung der Antitrust Laws eintreten, werden von unkritischen Mitläufern des Systems mit den üblichen Schein Argumenten, zum Beispiel “Flexibilität” beiseite geschoben oder ignoriert – und so wie bei vielen rationalen Ansätzen – tatenlos ausgesessen.

Die amerikanischen "Anti-Trust Laws" sind nur ein Beispiel für das laufend weiter wachsende Dickicht gesetzlicher Bestimmungen, das – auf beiden Seiten des Atlantik -- die Rechtsklarheit und Rechtssicherheit insgesamt verringert. In Europa sind die demokratischen Einflussmöglichkeiten gegen die Gesetzesflut besonders gering - kommen doch auf Ebene der EU die sogenannten “Verordnungen” (= Gesetze) ausschließlich auf Initiative der nicht demokratisch gewählten EU-Kommission zustande.

Viele Gesetze werden mit dem Anspruch erlassen, den Interessen der einfachen Bürger und insbesondere einkommensschwachen Personen zu dienen. - Doch bereits beim Stichwort “staatliche Förderung” oder “staatliche Maßnahme" ist grundsätzliche Skepsis angebracht.  Fördergelder sind umverteilte Steuergelder, die folglich da fehlen, wo sie eingenommen werden, letztlich bei den Betrieben der freien Wirtschaft. Diese benötigen ihre Gewinne jedoch dringend für Investitionen, um nachhaltig wettbewerbsfähig zu bleiben und weiterhin Arbeitsplätze bereitstellen zu können. Weiterhin erfordert jede Fördermaßnahme Verwaltungsaufwand, wodurch der unproduktive Teil der Wirtschaft weiter aufgebläht und weiteres Absaugen von Steuergeldern aus dem produktiven Teil erforderlich wird.

Thomas Jefferson hatte bereits vorhergesehen, dass ausufernde staatliche Einmischung in die Daseinsvorsorge der Bürger die Zukunft gefährdet, weil sie auf Vergeudung produktiver Kräfte hinausläuft. “I predict future happiness for Americans if they can prevent the government from wasting the labors of the people under the pretense of taking care of them.” – Ich sage zukünftiges Glück für (die) Amerikaner voraus, wenn sie verhindern können, dass die Regierung die Arbeit/ Mühe der Menschen unter dem Vorwand verschwendet, für sie zu sorgen. Referenz: www.keepinspiring.me

Eine solche “Förderung” brachten Politiker 2009/2010 in Deutschland auch mit Einführung der Abwrackprämie auf den Weg - der Fahrzeugbestand sollte verjüngt und die Umwelt im Gleichklang mit schärferen Abgasnormen für neu zugelassene Fahrzeuge entlastet werden. Weiterhin wollte man in der damaligen Finanzkrise die Absatzzahlen der notleidenden Automobilindustrie steigern. Doch die Teilnehmer, die gegen 2.500,- € Staatszuschuss ihr Altfahrzeug zum Schrott brachten, hatten selten das Geld für einen neuen PKW aus deutscher Produktion. Da fiel die Wahl bevorzugt auf einen PKW aus Asien. Damit konnten die Konkurrenten für die einheimische Automobilindustrie ihren Marktanteil sprunghaft ausbauen. Das aber musste für jeden der für diesen 5 Mrd. € teuren Abwrack-Unsinn verantwortlichen Politiker vorhersehbar gewesen sein

Vollständig zur destruktiven Farce wird eine “Förderung” in solchen Fällen, in denen praktisch nichts bei der vorgeblich zu fördernden Zielgruppe ankommt, stattdessen aber bei Profiteuren aus der Riege der Superreichen. - Im Kapitel A 8. “Aktien” wird aufgezeigt, wie nachhaltig ertragreiche Geldanlage funktioniert. Kapitalisten kennen diese natürlich bestens – und zeigen sich in gar keiner Weise motiviert, die breite Masse der einfachen Bürger darin zu unterstützen, es ihnen im kleineren Maßstab gleichzutun, also ein wenig Vermögen aufzubauen. Konkrete Aktien können letztlich nur gleichzeitig an einem Ort liegen – im “Streubesitz” der Bürger oder in ihren gigantischen Depots. 

Also “benötigen” die einfachen Bürger andere Geldanlagemöglichkeiten. In Deutschland bot die alterslastige Demographie den passenden Ansatz (richtiger: Vorwand) für ein staatlich gefördertes Altersvorsorgekonzept, das als “Riester-Rente” bekannt ist. Das Gesetz aus dem Jahr 2002 stieß auf breite Akzeptanz, da mit einem großzügigen Zuschuss auf die Einzahlung in sogenannte Riester Verträge gelockt wurde – und bis heute wird. Diese Bezuschussung hat seit Beginn bereits rund 30 Milliarden Euro aus der Steuerkasse gekostet.

Der Staat hält mit dem etwa 15 Seiten langen, achtmal geänderten Regelwerk ein Geldkarussell in Bewegung, das nach Untersuchungen kritischer Personen und Organisationen (u.a. des BDV – Bundes der Versicherten) vielen Sparern am Ende nicht mehr einbringt, als wenn sie das eingezahlte Geld in einer Spardose angesammelt hätten. So stellt man fest, dass in dieser “Kooperation” zwischen Staat und Finanzwirtschaft der Steuerzahler als ganz großer Verlierer dasteht und die Finanzwirtschaft als Profiteur,  während für den Bürger die versprochenen Vorteile - vorsichtig ausgedrückt, sehr zweifelhaft bleiben. 

Mitunter nimmt die “Zusammenarbeit” zwischen Staat und Großkapital auch die Gestalt von handfestem Betrug an. 

Der elektronische Börsenhandel hat durch Liberalisierung, in Wahrheit aber nur die Einflussmöglichkeiten der Finanzmacht weiter entfesselnde Gesetze den Aktienhandel noch weiter in einen Tummelplatz von Spekulanten verwandelt. Wenn dort in Bruchteilen von Sekunden große Vermögen den Eigentümer wechseln, hat das auch eine Kette fiskalischer Folgen, indem einige Teilnehmer Gewinne machen und auf diese Steuern zahlen müssen und andere Verluste, die eine Steuerrückerstattung zur Folge haben. Die extreme zeitliche Kompression der Vorgänge schafft allerdings Manipulationsmöglichkeiten bei der Dokumentation – die von findigen Banken und ihren Kunden in sogenannten Cum-Ex-Geschäften genutzt wurden und offenbar noch werden.

Der Steuerbetrug rund um Cum-Ex Deals hat in Europa bis Oktober 2018 einen Schaden von über 55,2 Milliarden Euro ans Tageslicht gebracht, davon rund 2/3 in Deutschland. / Vgl. Manuel DaubenbergerKarsten Polke-MajewskiFelix RohrbeckChristian Salewski und Oliver Schröm: Cum-Ex: Der Coup des Jahrhunderts DIE ZEIT Nr. 43/2018, 18. Oktober 2019 - Bemerkenswert ist, dass die Tarnung gegenüber der Öffentlichkeit auf die auch sonst gängige, sehr simple, Weise gelingt: Die Medien schweigen die Angelegenheit tot und lenken die Bürger ansonsten mit Nebensächlichkeiten ab, evtl. in lauten Kampagnen. Die Schlagzeilen der wenigen Pressemeldungen titulierten diese riesige Betrugsserie, in welche sehr viele, wenn nicht die meisten der grossen Banken in Deutschland und den USA involviert waren bzw. noch sind,  sinngemäss als "größten Steuerbetrug der Geschichte”. 

Das heißt jedoch keinesfalls, dass diese Machenschaften bereits den Gipfel dreister Bereicherung von Geld-Magnaten und anderen “Investoren” auf Kosten des Staates markieren würden. - Die deutsche Wiedervereinigung im Jahr 1989 hatte die ideale Kulisse für Politik und Medien abgegeben, um die doppelt gelogene “Überlegenheit des Kapitalismus gegenüber dem Marxismus” zu propagieren (Es war der Sieg der Marktwirtschaft über den Leninismus– trotz ihrer Schwächung durch den Kapitalismus). - Die gigantische politische Umwälzung  bot den geeigneten Rahmen, um den wohl größten Fall von Veruntreuung zu inszenieren, der je in Friedenszeiten stattgefunden hat, noch um eine Zehnerpotenz größer als selbst Cum-Ex. - Im Zuge der Privatisierung der ehemals staatlichen Industriebetriebe im Ostteil Deutschlands wurden marode Betriebe und Anlagen zunächst mit dreistelligen Milliardenbeträgen aus Steuergeldern von Grund auf saniert und modernisiert – um sie dann über die sogenannte Treuhand für einen Bruchteil dieses gigantischen Aufwandes an Investoren – nur teilweise an seriöse Unternehmer - zu verschleudern. – “Wenn wie im konkreten Fall der Abwicklung des Berliner Wärmebaus WBB der offizielle Substanzwert bei 160 Millionen D-Mark lag und die Treuhand den Betrieb klein rechnet und ihn für ganze zwei Millionen D-Mark an einen westdeutschen Geschäftsmann verkauft, dann kann dies nicht mit rechten Dingen zugegangen sein”. / Albrecht Müller,„Beutezug Ost – Die Treuhand und die Abwicklung der DDR“, auf NachDenkSeiten, 14.09.2010, Referenz: https://www.nachdenkseiten.de/?p=6735

„Nach Jahresgutachten der sogenannten „Fünf Weisen“ (Wirtschaftsexperten) betrug der Anfangskapital Bestand der ostdeutschen Unternehmen zum 30. Juni 1990 rund 584 Milliarden DM = rund 300 Milliarden Euro. (Wenn man diese Geschichte liest, fragt man sich, was Weisheit nützt, wenn sie nicht mit Wachsamkeit, Courage und der Entschlossenheit einhergeht, die Gesellschaft vor derartigen Machenschaften in Schutz zu nehmen.)

„Innerhalb von vier Jahren verkaufte die Treuhand 6.546 Unternehmen sowie u.a. 22.340 Gaststätten, Hotels und Verkaufseinrichtungen sowie 475 Buchhandlungen. 

Die „Treuhand” (deren ursprünglicher, wahrscheinlich zu zurückhaltender Direktor ermordet wurde) verkaufte Unternehmen und andere Wirtschaftseinrichtungen im Anfangswert von 584 Milliarden DM, welche noch für 333 Milliarden DM saniert wurden, so dass ihr Wert im Zeitpunkt des Verkaufs 917 Milliarden DM betrug. Diesen 917 Milliarden DM Gesamteinsatz stand ein Verkaufserlös von 73 Milliarden DM gegenüber, so dass der Verkauf mit einem Gesamtdefizit von 844 Mrd. DM abschloss. 

Die Politik versagte in diesem Fall in einem wortwörtlich unglaublichen Umfang: „Der Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages stellt fest: Die Bundesregierung und die Treuhandanstalt haben ihre unerlässliche Aufsichtspflicht verletzt und die parlamentarische Kontrolle … " außer Kraft gesetzt…”     Klaus Blessing, Wer verkaufte die DDR, Berlin 2016

Das Beispiel zeigt, dass die Vertreter des Großkapitals nach dem Scheitern des” realen Sozialismus" bei ihren unfairen Beutezügen jeden Rest von Zurückhaltung abgelegt haben. Es zeigt weiterhin eine unglaubliche Verhöhnung der deutschen Demokratie nach dem II. Weltkrieg, die eigens als freiheitliches Gegenkonzept zur faschistischen Hitler-Diktatur eingerichtet worden war.

Während der große Coup rund um die deutsche Wiedervereinigung innerhalb von rund zwei Jahren weitgehend abgeschlossen war, sprudeln andere staatliche Quellen ohne Ende weiter.

So gelangen von den gigantischen Zuwendungen an Länder der III. Welt beachtliche Teile aus den Staatskassen in Europa und Nordamerika direkt in die Kassen des Großkapitals. Dessen Konzerne haben sich in den Empfängerländern entsprechend positioniert und befinden sich dabei gegenüber kleineren Wettbewerbern – zusätzlich dank ihrer politisch maßgeblichen Kontakte auf internationalem Niveau - in einer gewohnt überlegenen oligopolistischen Position. Wer dagegen als kleiner Unternehmer in einem dieser Länder auch nur ein Geschäftskonto eröffnen will, sieht sich einem surrealen Berg bürokratischer Hindernisse gegenübergestellt. Wenn dann endlich Überweisungen für überschaubare Investitionen von Europa oder den USA aus auf ein solches Konto erfolgen, tauchen weitere Hindernisse auf. Der Vorwand, Geldwäsche verhindern zu müssen, wird dazu herangezogen, umfangreiche Dokumentationen über die legale Herkunft des Geldes zu verlangen – während Drogenhandel und tatsächlich illegale Geldflüsse über das “Darknet” organisiert werden. (Das Darknet stellt gewissermaßen die dunkle, teilweise illegale Seite des Internet dar und kann mittels der App “TOR” unproblematisch erreicht werden.)

Die entsprechenden Geldwäschegesetze stellen gleich zwei Rechtsprinzipien auf den Kopf. Erstens wird das Prinzip der Unschuldsvermutung und folglich die Beweislast auf Seiten des Klägers zerstört. Korrekt liegt die Beweislast dafür, dass etwas illegal sein soll, stets beim Kläger. Durch die Geldwäschegesetze dagegen wird der ehrliche Bürger genötigt, den Beweis seiner Unschuld anzutreten. Zweitens stellen diese Gesetze den Einstieg in eine viel umfangreichere Initiative dar, in deren Resultat alles verboten sein soll, was nicht ausdrücklich erlaubt ist – eine Auslöschung der persönlichen Freiheit schlechthin.

Die Überwachung letztlich aller Bürger durch die NSA ist seit den Enthüllungen Edward Snowdens gesicherte Faktenlage. Der ausspionierte Bürger darf dann wenigstens erwarten, dass ein noch wesentlich höherer Aufwand bei der Überwachung von Kriminellen namentlich in den Sektoren Drogen, Waffen und Schwarzgeld betrieben wird. Doch die entsprechenden Erfolge bei Fahndung und juristischer Abarbeitung sind bemerkenswert mager, obwohl  die amerikanischen und britischen Geheimdienste offenkundig auch das  “Darknet” auszuspionieren vermögen. 

Besonders bedenklich ist auch der wachsende kapitalistische Zugriff auf Staatsländereien in Schwellen- und Drittweltländern, wo solche Landkäufe unter dem Namen Land-Grabbing (Landraub) bekannt sind. Als Käufer treten reiche Privatleute, Konzerne und Fondsgesellschaften auf. 

Besonders in verschiedenen Ländern Afrikas haben die Verkäufe staatlicher Flächen durch Politiker verheerende Auswirkungen. Dort lebt ein Großteil der Landbevölkerung ohne eingetragene Rechte, aber traditionell geduldet auf Staatsland. Der verantwortungslose Landverkauf durch Regierungen zieht somit eine soziale Katastrophe nach sich, indem die entwurzelten Bauern in die chaotisch wachsenden Städte ziehen. - Die EU subventioniert eine ähnliche antisoziale Entwicklung in Südosteuropa, namentlich Rumänien, sogar mit Steuergeldern. 

Zum Funktionieren der Kooperation von Großkapital und Staat stellte Noam Chomsky nüchtern fest: „Concentration of wealth yields concentration of political power. And concentration of political power gives rise legislation that increases and accelerates the cycle“. – Die Konzentration von Reichtum bringt politische Macht mit sich, und Konzentration politischer Macht lässt (eine) Gesetzgebung anwachsen, welche den Wirkkreis/ die Wikkette verstärkt und beschleunigt. /  https://brainquote.com/authors/noam-chomsky-quotes

Dieser Einfluss auf die Gesetzgebung geschieht im Wesentlichen auf dem Wege der Lobbytätigkeit, wie es auch Ayn Rand als Wesensmerkmal unserer Mixed Economy beobachtet hat (siehe Zitat im Kapitel A 2. „Objektivismus und marxsche Philosophie“). Solche Art der Beeinflussung von Parlamentariern und Verwaltungsbeamten durch Personen oder Firmen mit Geld im Hintergrund stellt eine empfindliche Achillesferse der Demokratie dar. Unbestreitbar besteht die Gefahr, dass nicht den Interessen der Bürger, welche die Parlamentsabgeordneten gewählt haben, vorrangig Geltung verschafft wird, sondern den Interessen der Superreichen und ihrer Konzerne.

Diese Feststellung wird nicht nur durch übereinstimmende Beobachtungen sehr vieler besorgter Zeitgenossen gestützt, sie ist auch wissenschaftlich bewiesen. In einer sich über mehr als 20 Jahre erstreckenden Langzeitstudie haben zwei Politikwissenschaftler der Princeton University, Martin Gilens und Benjamin Page, einfachen Bürgern, Managern und anderen Personen verschiedene Gesetzentwürfe vorgelegt und dazu deren Meinung abgefragt. Die Ergebnisse wurden mit den später tatsächlich verabschiedeten Gesetzen verglichen. “Using data drawn from over 1,800 different policy initiatives from 1981 to 2002, the two conclude that rich, well-connected individuals on the political scene now steer the direction of the country, regardless of or even against the will of the majority of voters”. – Unter Verwendung der Daten, die von 1981 bis 2002 aus über 1.800 verschiedenen politischen Initiativen gezogen wurden, fassen die beiden  zusammen, dass reiche Individuen mit besten Verbindungen die Richtung des Landes bestimmen, und zwar abseits des Willens der Mehrheit der Wähler oder sogar gegen diesen. / Brendan James, Princeton Study: U.S. No Longer An Actual Democracy, in takingpointsmemo.com, 2014, Referenz https://talkingpointsmemo.com/livewire/princeton-experts-say-us-no-longer-democracy

Dass dieser Einfluss zu einem guten Teil auf Lobbytätigkeit beruht, ist wortwörtlich unübersehbar, allein in Brüssel sind etwa 25.000 Lobbyisten tätig. Niemand kann bestreiten, dass diese Tätigkeiten alle Übergänge zwischen blosser Beratung und manipulativer Beeinflussung bis hin zur Bestechung umfassen, wobei die grosse Zahl der lediglich beratenden und subtil beeinflussenden Aktivitäten ein perfekt tarnendes Umfeld für die seltenen Fälle flagranter Korruption bietet.