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Kapital I – Kreativitätsmittel

Die negativen Assoziationen, welche dem System des „Kapitalismus“ zu Recht anhaften, färben psychologisch unvermeidbar auch auf den Ausgangsbegriff „Kapital“ ab. Doch gilt es hierbei sorgfältig zu unterscheiden – was Anliegen dieses sowie des folgenden Kapitels ist. 

Im ursprünglichen Sinn versteht man unter Kapital  solche Gegenstände, Güter und Einrichtungen, die man zur effektiven Produktion oder zur Ausführung von Dienstleistungen verwendet. Einfache Beispiele stellen Werkzeuge wie Hammer und Säge für Tischlerarbeiten oder Kamm und Schere zum Haareschneiden dar. Indem man technisch fortschrittlichere Werkzeuge, Geräte und Maschinen als Kapital einsetzt, wird die Hebelwirkung der eingesetzten Arbeit gesteigert. So ermöglichen es Elektrosägen oder auf höherer Rationalisierungsstufe komplexe Fertigungsanlagen, ein bestimmtes Produkt wie beispielsweise eine Tür in kürzerer Zeit und mit weniger Arbeitseinsatz herzustellen. So steigt die sogenannte Arbeitsproduktivität, wodurch sowohl der Gewinn des Unternehmers (v.a. für weitere Investitionen) zunehmen kann, als auch der Lohn des Arbeitnehmers.

Die Werkzeuge, die ein Handwerker für die Ausübung seiner Berufstätigkeit benötigt, bilden seine Lebensgrundlage. Die Respektierung seines Eigentums an diesen Produktionsmitteln durch die Mitmenschen stellt für ihn somit eine zentrale Existenzfrage dar. Generell stellt die konsequente gegenseitige Anerkennung des Privateigentums eine Grundbedingung für das friedliche, harmonische und wirtschaftlich prosperierende Miteinander dar und festigt damit auch die Überlebensfähigkeit der Gesellschaft. Der Vorteil gegenüber anderen Gesellschaften, in welchen willkürliche Enteignung droht und fortgesetzte interne Streitigkeiten in Eigentumsfragen die Lebenskräfte der Menschen aufzehren, ist offenkundig, denn bei letzteren fehlt früher oder später die Kraft für eine Verteidigung nach außen, die Gesellschaft/ Nation geht im historischen Wechselspiel unter. 

Während Handwerk sich bereits in den frühen Hochkulturen des Altertums (Babylon, Ägypten) nachweisen lässt, spielten Manufakturen erstmals bei den Römern eine größere Rolle. Zwar ohne den Einsatz eigentlicher Maschinen wie in neuzeitlichen Fabriken, aber bereits unter Nutzung von Arbeitsteilung und Massenfertigung, stellten solche Betriebe Gebrauchsgegenstände wie Keramikgeschirr bereits in Grossserie her. Vor allem aber trat die Produktion mit der Beschäftigung einer grösseren Zahl angestellter Mitarbeiter erstmals aus dem häuslichen Milieu hinaus in einen mehr öffentlichen und dadurch gesellschaftsrelevanten Rahmen

Das Prinzip der Arbeitsteilung brachte auch die Möglichkeit mit sich, dass sich der Gründer und Eigentümer ganz auf organisatorische Aufgaben und Geschäftskontakte oder auf Produktverbesserungen und das Optimieren der Fertigungsabläufe zu konzentrieren.

Es liegt auf der Hand, dass namentlich den beiden letztgenannten Möglichkeiten ein hohes – in der öffentlichen Wahrnehmung weit unterschätztes - Fortschrittspotenzial innewohnt. Das private Eigentum an Produktionsmitteln schafft für diese kreative Betätigung die optimalen Rahmenbedingungen, indem Menschen abgeschirmt von Störeinflüssen ihren schöpferischen  Neigungen nachgehen können. Der hohe Grad an Motivation (bis hin zur echten Begeisterung) entfaltet sich am besten in einer Situation des Laissaiz-faire. Das aus dem Französischen stammende Schlagwort geht auf eine Unterhaltung zurück, welches der französische Minister Colbert (unter dem „Sonnenkönig“ Ludwig dem XIV.) mit einem Kaufmann führte. Colbert, ein Verfechter des staatlichen Wirtschaftsdirigismus, wollte erfahren, wie die Regierung der Wirtschaft helfen könnte und erhielt die Antwort, „laissez-nous faire.“ – Lassen Sie uns (ohne Einmischung das) machen (was wir für richtig halten).

Dieser Begriff wurde später namentlich durch seine Verschmelzung mit dem des Kapitalismus seines eigentlichen Sinns und Wesens beraubt; „Lessaiz-faire-Kapitalismus“ wurde zum Schimpfwort, zu einer Steigerungsform von „Kapitalismus“, mithin zum Inbegriff skrupelloser Geschäftemacherei geprägt und sinnverdrehender Weise mit „Raubtierkapitalismus“ gleichgesetzt. Diese Begriffsmanipulation stellt ein zentrales Element der Verleumdungskampagne dar, welcher die (tatsächlich) freie Marktwirtschaft, also die Lessaiz-faire-Marktwirtschaft bis heute ausgesetzt ist. In der Bitte des französischen Kaufmanns „laissez-nous faire“ drückt sich die absolut berechtigte Furcht mittelständischer Geschäftsleute vor immer weiteren Eingriffen des Staates aus, welche in der Summe sehr viel mehr schaden als helfen. 

Außer den großen Wissenschaftlern wie beispielsweise Copernicus (1473 – 1543) Galileo Galilei (1564 – 1642) und Kepler (1571 – 1630) waren es Erfinder der Industriellen Revolution wie James Watt (1736 – 1819), Gottlieb Daimler (1834 – 1900) und Rudolf Diesel (1858 – 1913), welche ihre Ideen zugleich als Unternehmer in Eigeninitiative verwirklichten. Für solche kreativen und konstruktiven Menschen bedeutet die eigene freie Verfügung über zum Teil selbst entworfene Produktionsgüter, also ihr Kapital, die entscheidende Erweiterung ihrer eigenen kreativen Entfaltungsmöglichkeiten. Die Hebelwirkung ihrer Maschinen und anderen Produktionsmittel hat es ihnen ermöglicht, ihre Ideen in die Tat umzusetzen, die Produkte laufend zu verbessern, Mitarbeitern interessante Arbeitsplätze zu bieten und sie zu motivieren. Das Kapital des mittelständischen Unternehmers profiliert sich somit als Kreativitätsmittel, dessen Anhäufung der Gesellschaft erheblichen Nutzen bringt – solange sich diese im kostruktiven Rahmen vollzieht.

Genau dieser konstruktive Rahmen kann jedoch mit dem Wachsen eines Unternehmens wie auch im Generationenübergang gesprengt werden, so dass das Kapital eine völlig andere, von kreativer Arbeit abgekoppelte Zweckbestimmung erfährt, wie im nächsten Kapitel betrachtet wird.