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China

Am Schluss des vorigen Kapitels wurde festgestellt: „Doch die >langsame Option< hat für den Kapitalismus eine sehr unattraktive Kehrseite – es werden weitaus weniger Werte für eine mögliche Aneignung geschaffen“. - Das allerdings widerspricht dessen Streben nach dem besonderen Profit. Es galt folglich Möglichkeiten aufzutun, die Vorteile der „dynamischen“  und die der „langsamen Option“ gleichzeitig zu nutzen. Allerdings erfordert ein paralleler Betrieb beider Systeme den Zugriff auf eine für die rasche Variante geeignete Region abseits der „langsamen“ Länder Europas und des amerikanischen Doppelkontinents. Ein solcher Zugriff bestand seit 1842 in Hong Kong, das bis 1997 britische Kronkolonie war. Für den besonderen Profit lagen dort ideale Bedingungen vor, namentlich ein großes Potenzial an disziplinierten Arbeitskräften, deren billige Verfügbarkeit durch einen beständigen Migrationsstrom aus dem bis in die späten 1980er Jahre armen und rückständigen  China gewährleistet war. Die Kombination von billiger Arbeitskraft und moderner westlicher Technologie ließ eine hoch profitable Industrie gedeihen, die hauptsächlich billige Massenware für den Weltmarkt fertigte.

Doch die Tage Hongkongs als Kapitalisten Paradies waren gezählt, da der 99-jährige Pachtvertrag für dessen Erweiterungsgebiete, die New Territories, 1997 auslief und die gleichzeitige Rückgabe der verbliebenen kleinen Kronkolonie beschlossene Sache war. Dem Wegbrechen einer solchen Einnahmequelle tatenlos entgegenstehen, hätte allerdings den Grundsätzen der Geldmagnaten widersprochen. – So kam es ihnen gelegen, dass man in der Volksrepublik China nach der unbefriedigenden Wirtschaftsentwicklung in den 1970er Jahren für Ideen und Impulse aus dem Westen aufgeschlossen war. 1979 entschied sich die politische Führung zu einem wegweisenden Reformschritt, es wurden vier Special Economic Zones – Sonderwirtschaftszonen in der Umgebung Hongkongs eingerichtet. Dort war es privaten ausländischen Investoren und Unternehmern gestattet, Firmen zu gründen und unabhängig von der Planwirtschaft des sozialistischen Landes nach marktwirtschaftlichen Prinzipien zu produzieren. 

In den Anfängen entstanden infolge eines gewaltigen Zustroms von Arbeitsuchenden Bedingungen, wie sie denen in Europa über 100 Jahre zuvor ähneln (also zu Zeiten von Karl Marx) – geringes Lohnniveau, lange Arbeitszeiten, kaum Urlaub, kein Kündigungsschutz, keine Unfallversicherung. - Das war der Beginn einer Partnerschaft zwischen zwei offiziell tief verfeindeten Lagern - den chinesischen Kommunisten auf der einen Seite sowie Unternehmern und Investoren auf der anderen. Für die eigentlichen Kapitalisten als Grossinvestoren brachte aber erst die ebenfalls im Zuge der Reformen erfolgende Privatisierung einiger der großen Staatsbetriebe und die Öffnung des Banken- und Finanzsektors für Ausländer entscheidende Chancen, an der Entwicklung Chinas mitzuverdienen.

Das Modell war aus dem Stand für die Investoren und Unternehmer wie auch für China ein großer Erfolg, weshalb in den Folgejahren immer weitere Sonderwirtschaftszonen ausgewiesen wurden, zunächst in den Küstenregionen, dann auch in den Provinzhauptstädten und anderswo im Landesinnern. Die an Hong Kong angrenzende Stadt Shenzhen, das Zentrum der Entwicklung, hatte 1980 nur etwa 30.000 Einwohner, 2017 waren es offiziell 12,9 Mio (geschätzt 20 Mio). Die Großregion im weiteren Umkreis des Perlflussdeltas zwischen Hong Kong und Macau ist mittlerweile zu einer der größten städtischen Agglomeration der Erde angewachsen / Referenz Wikipedia „Shenzhen“. Hier entsteht aktuell mit über 50 km Länge die weltweit größte Brücken-und Tunnel Verbindung über die Perlflussmündung. 

Grundvoraussetzung für den Erfolg der chinesischen Wirtschaftschafts Umstellung war der Ersatz der planwirtschaftlichen Willkürpreise durch reale Marktpreise – eine Massnahme, welche die Regierung Gorbatschow in der Sowjetunion versäumt hatte. Entsprechend wurden die Staatsunternehmen schrittweise an ein marktwirtschaftliches Rechnungswesen und damit eine Rentabilitätskontrolle herangeführt. “In the early 1980s, an enterprise responsibility system was implemented based on the success of the household responsibility system, ..." The primary objective of the program was to increase SOEs’ (= State-Owned Enterprises’, Anmerkung) productivity, output and profitability. After fulfilling state plans and output quotas, enterprises were allowed to keep a share of total profits from production and make decisions about production plans, workforce adjustment and product marketing. In  1984, enterprise rights were extended to production planning, purchase of inputs, worker payment and recruitment, staffing and the use of retained profits”. – In den frühen 1980ern wurde ein Unternehmens-Verantwortungssystem eingeführt, das auf dem Erfolg des Haushalts-Verantwortung Systems basierte, … Das primäre Ziel des Programms bestand darin, die Produktivität, die Produktionsleistung und die Profitabilität der staatlichen Unternehmen zu steigern. Nach Erfüllung des staatlichen Planes und der Produktion der vorgegebenen Mengen war den Unternehmen gestattet, einen Anteil am Gesamtgewinn aus der Produktion einzubehalten und Entscheidungen hinsichtlich Produktionsplänen, Anpassung der Belegschaft und Marketing/ Vertrieb der Produkte zu treffen. 1984 wurden die Unternehmensrechte auf Planung der Produktion, Einkauf benötigter Güter, Bezahlung, Anwerbung und Einstellung von Arbeitskräften sowie die Verwendung von einbehaltenen Profiten ausgedehnt. / Ligang Song, State-owned enterprise reform in China, S. 349

Ein weiterer Erfolgsgrund der Wirtschaftsformen ist in der rationalen Priorisierung von Investitionen vor Konsum zu sehen. Im Kontrast dazu wird westlichen Bürgern seit vielen Jahrzehnten eine Mentalität der oberflächlichen, undisziplinierten und egozentrischen Voreiligkeit anerzogen, die dem perzeptuellen Grundsatz “hier, jetzt, ich” folgt. Namentlich werden unzählige Möglichkeiten angeboten, über seine Verhältnisse zu leben, beispielsweise Kreditkarten, Kontoüberziehung, Privatinsolvenz,  Ratenzahlungsmodelle, 100%-Baufinanzierungen und steuerliche Absetzbarkeit von Schulden. Mit derselben Voreiligkeit haben auch die Steuerbehörden sowie gewerkschaftlich oligopolisierte Arbeiter und Angestellte die Kassen der kleinen Unternehmen stets schon geplündert, bevor sich dort genug ansammeln konnte, um davon auch ohne Kreditaufnahme neue Werkshallen und bessere Maschinen finanzieren zu können. Es ist so, als wenn ein Landwirt den größten Teil der für die nächste Ackerbestellung nötigen Saatkörner gedankenlos zum Brotbacken verbraucht. Dabei zahlt sich anfänglich zurückhaltender Konsum schon mittelfristig reichlich aus, wenn die dann wirklich vollen Kassen beides erlauben – hohe Löhne und großzügige Investitionen für weiteres Wachstum. 

Der Anteil, den solche tief eingeschliffenen Mentalitätsunterschiede an dem beeindruckenden chinesischen Erfolg haben, wird weit unterschätzt. “…, Chinese companies teach us management’s current imperatives: responsiveness, improvisation, flexibility, and speed. … They’re culturally predisposed to see the members of their organizations as family but, in return, demand a lot from them. - …, chinesische Unternehmen lehren uns die aktuellen Erfordernisse des Managements, Reaktionsfähigkeit, Improvisation, Flexibilität und Geschwindigkeit. … Sie sind kulturell vorprogrammiert, die Mitglieder ihrer Organisationen als Familie anzusehen, aber umgekehrt verlangen sie eine Menge von ihnen. / Thomas Hout and David Michael, A Chinese Approach to Management, September 2014, Referenz https://hbr.org/2014/09/a-chinese-approach-to-management

Vergleicht man die hier beschriebene mentale Einstellung mit der für den “Westen” immer typischer gewordenen tribalistischen, erkennt man fundamentale Unterschiede. Vor allem trifft man in China deutlich eher auf Verantwortungsbewusstsein – Hinweis auf einen stärker ausgebildeten“Autonomous State” und eine Disposition zum selbständigen Denken. Ein Teil der Erklärung hierfür ist dem Konfuzianismus Zuzuschreiben, einer Mischung aus Religion, Philosophie und ethischer Lehre, die das Zusammenleben in China seit rund 2500 Jahren beeinflusst, und zwar unbedingt positiv. 

Der konfuzianische Gedanke einer Soft Power kann in seiner Bedeutung kaum hoch genug eingeschätzt werden. Er deckt sich sehr weitgehend mit Überlegungen bzw. Lehren der amerikanischen Gründerväter, Mahatma GandhisMartin Luther Kings und Jesu Christi und weist den Weg aus der tribalistischen Spirale der Gewalt, indem gewaltfreie Formen des Umganges mit Interessengegensätzen vorgeschlagen werden. Namentlich geht es um den Gebrauch rationaler Argumente statt manipulativer Propaganda, struktureller oder gar physischer Gewalt. Dies ist die einzige dem Menschen als Verstandeswesen angemessene Form der Auseinandersetzung – und die einzige zukunftstaugliche. Es ist offenkundig, dass  die Voraussetzungen für eine Behauptung des gewaltfreien Prinzips gegenüber dem von Macht und Gewalt in den “westlichen” Ländern aktuell erst in Ansätzen gegeben sind. (Diese Voraussetzungen werden im einleitenden Abschnitt des Kapitels B 3. erläutert.)

Die Weltoffenheit in der konfuzianisch geprägten Mentalität hat auch die Nutzung der existierenden technischen Zivilisation in Europa, auf dem amerikanischen Doppelkontinent und in Australien als Gratis-Modellvorlage erleichtert. Die dort bereits entwickelten Produkte selbst kostengünstiger produzieren und anbieten zu können, ist bereits für sich ein nachhaltiges Erfolgskonzept. – Das ist allerdings auch weitgehend das Einzige, worüber der westliche Medienkonsument gründlich informiert wird, so dass sich ein einseitiges Klischeebild formen konnte. Immerhin gehört zu diesem noch die Kenntnis von groß aufgezogener Produktpiraterie und überhaupt von der Missachtung von Patentrechten

Zwischen den  1980er Jahren und heute hat sehr umfangreiche illegale Datenbeschaffung und Industriespionage über die Barrieren elektronischer Sicherheitssysteme hinweg stattgefunden. Die dafür dem Medienpublikum angebotene und unbedingt auch zutreffende Erklärung richtet den Fokus auf die vielen chinesischen Hacker, welche europäische und amerikanische Firmen ausspionieren. Superreiche haben solche improvisierten kleinteiligen Lösungen jedoch nicht nötig, wenn technisch ausgereifte und für Gross Anwendung ausgelegte zur Verfügung stehen – bei der NSA. Psychologisch betrachtet entfalten diese perfekten Möglichkeiten auch eine ebenso perfekte, unwiderstehliche Anziehungskraft auf die Macht des Geldes bei seiner ständigen Suche nach mehr Geld und Macht. Wer den Honigbären sucht, findet ihn beim Wabenstock - Industriespionage ist durch die geleakten NSA-Daten Snowdens belegt. “Snowden's claim the NSA is engaged in industrial espionage follows a New York Times report earlier this month that the NSA put software in almost 100,000 computers around the world, allowing it to carry out surveillance on those devices and could provide a digital highway for cyberattacks… - Snowden's Besteuerung, dass die NSA in Industriespionage verwickelt ist, folgt einem Artikel in (der) New York Times etwas früher in diesem Monat. Danach hat die NSA in fast 100.000 Computern weltweit (eine) Software installiert, welche dort die Ausübung von Überwachung ermöglicht sowie eine digitale Schnellstrasse für Cyberattacken liefert. / Snowden: NSA conducts industrial espionage too, Reuters auf CBS News, 26. Januar 2014, Referenz  https://www.cbsnews.com/news/snowden-nsa-conducts-industrial-espionage-too/

Doch auch seitens “westlicher” Politiker wird proaktiv dafür gesorgt, dass der Nutzen aus mühsamer und teurer Entwicklungsarbeit in Europa hauptsächlich asiatischen Produzenten  zugutekommt. Ein haarstrübend plumpes, aber politisch immer wieder durchgesetztes Mittel sind staatliche Subventionen, so beispielsweise bei der Umstrukturierung der Energiewirtschaft weg von fossilen und hin zu erneuerbaren Energien in Deutschland. Der ökologische Grundgedanke war richtig, doch wurden kurzfristige Vorteile mit Beschädigung der Nachhaltigkeit erkauft – ein weiteres Beispiel für  unzureichend durchdachte, aktionistische Eingriffe in die Wirtschaft. Die Ergebnisse bestanden in

  1. Steigerung des Anteils der erneuerbaren Energie an der Gesamtenergieversorgung auf knapp 1/3 innerhalb relativ kurzer Zeit.

  2. Vorübergehend boomender Solarzellenproduktion in Deutschland, welche aber im internationalen Preiswettbewerb zunehmend an Boden verliert 

  3. Erheblicher finanzieller Belastung der privaten Haushalte und der Industrie über eine zusätzliche Stromsteuer, mit welcher die Subventionierung von Solardächern finanziert wird 

  4. Hohem Verwaltungsaufwand aufgrund komplizierter Bestimmungen mit Antragsverfahren, Entlastungs- und Ausnahmeregelungen

  5. Zwar Entwicklung wegweisender technischer Lösungen, deren hauptsächlicher Nutznießer jedoch die chinesische Photovoltaik Industrie ist, welche nicht nur den Großteil der bezuschussten Solaranlagen auf deutschen Dächern liefert, sondern auch die nicht bezuschussten weltweit. 

Mit Strompreisen in Deutschland, die nunmehr zu den (je nach Statistik) 2 bis 4 höchsten der Welt gehören und das rund Vierfache der chinesischen betragen, wird es Unternehmern stark erschwert, dort weiterhin Solarindustrie zu betreiben und diese zukunftsweisende Technik mit Hilfe der vorhandenen hervorragenden Ingenieure weiterzuentwickeln. / Electricity prices, December 2019, GlobalPetrolPrices.com, Referenz https://www.globalpetrolprices.com/electricity_prices/ - Wie in sämtlichen Industriebranchen quer durch alle Länder des “Westens” liegen mit dem chinesischen  Verdrängungswettbewerb immer mehr menschliche Begabungen und Fachkenntnisse brach

Um an modernste westliche Technologie zu gelangen, existiert eine noch gründlichere Option, nämlich gleich eine ganze ausländische Firma zu kaufen. “Last year (2019), for example, Chinese entities invested 11.7 billion euros (nearly $13 billion) in European Union countries, the vast majority of it in mergers and acquisitions... In 2018, Chinese entities invested some $25 billion in the United States … In 2003, Chinese mergers and acquisitions of foreign companies amounted to $1.6 billion. - Letztes Jahr (2019), z.B. investierten chinesische Unternehmen 11,7 Milliarden Euro /fast 13 Milliarden Dollar) in Ländern der Europäischen Union, mit großer Mehrheit in Fusionen und Aufkäufen… In 2018  investierten chinesische Unternehmen 25 Milliarden Dollar in den Vereinigten Staaten … 2003 hatten chinesische Fusionen und Aufkäufe (erst) 1,6 Milliarden Dollar betragen. / Elisabeth Braw, China Is Bargain Hunting—and Western Security Is at Risk, April 15, 2020, Referenz https://foreignpolicy.com/2020/04/15/china-is-bargain-hunting-and-western-security is-at-risk/       

Der Jahresvergleich zwischen 2003 mit 1,6 Milliarden Dollar und 2018/19 mit 38 Milliarden Dollar (13 + 25) zeigt das lawinenartige Anwachsen dieser Entwicklung. Während die chinesische Wirtschaft in diesen 16 Jahren laut Verdopplungsformel auf ungefähr das Dreifache anwachsen konnte, wuchsen die Auslandsengagements  auf das Vierundzwanzig Fache (von 1,6 auf 38 Mrd.).      

Selbst die Coronakrise konnte den Trend nicht brechen, im Gegenteil. Von Krisen zu profitieren ist allerdings ein Kennzeichen des Kapitalismus. Dass hier weniger der chinesische Staat als die internationale Hochfinanz die Entwicklung in der Hand hat, bestätigt auch die Abwicklung vieler der “chinesischen” Acquisen über Holdings mit Sitz außerhalb Chinas. “Canyon Bridge, a Cayman Islands-based outfit that is majority-owned by China Reform, bought Imagination in 2017—but the U.K. government didn’t intervene. – Canyon Bridge, ein auf den Kaimaninseln registriertes Unternehmen, welches (der Firma) China Reform als Haupteigentümer gehört, hat (im Jahr) 2017 (die britische High Tech-Firma) Imagination gekauft, aber die Regierung des Vereinigten Königreichs hat nicht interveniert”. / Elisabeth Braw, China Is Bargain Hunting—and Western Security Is at Risk, April 15, 2020, Referenz https://foreignpolicy.com/2020/04/15/china-is-bargain-hunting-and-western-security-is-at-risk/   

Die Kapitalisten veranstalten damit einen labilen Spagat – mit einem Bein in den bisher die Zivilisation führenden westlichen Ländern, die nach Kräften gebremst werden, und mit dem anderen in China. Dessen Aufstieg haben sie noch etwa bis zu Beginn der Präsidentschaft Trumps gefördert - gestützt auf ihre drei traditionellen Spezialgebiete Informationsbeschaffung, Finanzen und einen weltweiten politischen Einfluss. 

Dieser, aus der Gier nach noch größerem Extraprofit entstandene labile Zustand potenziert die ohnehin im Kapitalismus angesammelten Widersprüche und verlangt von den inoffiziell Mächtigen “eigentlich” umgehend eine rationale Entscheidung - also für ein Umschalten aus dem Modus unaufrichtiger Vertuschung in den der Offenheit. 

Denn nichts als Vertuschung ist die Art, wie Bürger im “Westen” über die Entwicklungen in China und deren Ursachen unterrichtet bzw. nicht unterrichtet werden. In vergleichenden Statistiken werden die USA bis heute, 2021, kritiklos als das Land mit der stärksten Wirtschaft ausgewiesen. Doch als Maßstab wird das Bruttosozialprodukt herangezogen, und zwar auf Dollarbasis zum offiziellen Wechselkurs. Legt man die reale Kaufkraft zugrunde, liegt das chinesische Bruttosozialprodukt bereits seit 2014 über dem der USA. Weiterhin wird Letzteres von einem überdimensionalen Handels- und Dienstleistungssektor sowie von Transfereinnahmen von Großkonzernen mit Registrierung in einem der US-Steuerparadiese wie Delaware oder Nevada bestimmt. Ein Großteil der tatsächlichen Wertschöpfung/ Produktion findet bei den Tochtergesellschaften im Ausland statt. Selbst Vergleiche der Industrieproduktion auf Basis des Gesamtwertes in Dollar sind infolge der billigen chinesischen Währung verfälscht, das Preisniveau in China liegt nur gut halb so hoch wie in den USA. /  Congressional Research Service, China's Economic Rise, Washington, D.C. 2019.

Zusätzlich werden die hohen Handelsmargen zwischen billigem Wareneinkauf in China und teurem Verkauf in den USA größtenteils in das Sozialprodukt der Letzteren gerechnet. Erst, wenn man sich der Mühe unterzieht, die produzierten Mengen von Standard-Gütern mit Indikatorfunktion herauszusuchen, stößt man auf die wirklichen Dimensionen des chinesischen Vorsprungs. So produzierten die USA im Jahr 2018 12 Mio. PKW und Nutzfahrzeuge, China aber 25 Mio. / David Gorton, 6 Countries That Produce the Most Cars, 14.11.2019, Investopedia, updated 14.11.2019, Referenz https://www.investopedia.com/articles/markets-economy/090616/6-countries-produce-most-cars.asp

Die Stahlproduktion Chinas übertrifft die USA sogar um das 11-fache und liegt seit 2018 auch über derjenigen aller restlichen Länder der Erde zusammen. “China’s crude steel production in 2019 reached 996.3 Mt, up by 8.3% on 2018. China’s share of global crude steel production increased from 50.9% in 2018 to 53.3% in 2019. … The US produced 87.9 Mt of crude steel, up by 1.5% on 2018”. – 2019 erreichte Chinas Rohstahlproduktion 996,3 Mio. t, 8,3 % mehr als 2018. Chinas Anteil (…) nahm von 50,9% in 2018 auf 53,3 % in 2019 zu. … Die USA produzierten 87,9 Mio. t Rohstahl, 1,5 % mehr als 2018. / Worldsteelassociation, Annual crude steel production, Brussels, Belgium, 27.01.2020, Referenz https://www.worldsteel.org/media-centre/press-releases/2020/Global-crude-steel-output-increases-by-3.4--in-2019.html

Beim technischen Schlüsselindikator Aluminiumproduktion war der Abstand geradezu drastisch, in den USA belief sich die Produktion auf knapp 0,9 Mio Mt, in China auf 33,0 Mio Mt, also das 37-fache. / Georgia Williams, 8 Top Aluminum-producing Countries, Investingnews INN, 04.09.2019, Referenz https://investingnews.com/daily/resource-investing/industrial-metals-investing/aluminum-investing/aluminum-producing-countries/

Die Zementproduktion als Indikator der Bautätigkeit zeigt einen ähnlich gewaltigen Abstand, die USA produzierten 83 Mio t, China mit 2500 Mio t das 30-fache. / Hina Khan, Top 10 Largest Cement Producing Countries in the World, World Blaze 31.12.2017, Referenz https://www.worldblaze.in/largest-cement-producing-countries/

Seit den ersten Reformschritten 1979/1980 bewegt sich das jährliche Wirtschaftswachstum Chinas auf sehr hohem Niveau von zeitweilig über 10 % und in den letzten zwei bis drei Jahrzehnten bei rund 8%. Nach der im Kapitel A 8. “Aktien” vorgestellten Formel “Verdopplungszeit in Jahren = 72/ jährlichen Zuwachs in %“ würden schon 7,2 % Zuwachs ausreichen, um alle 10 Jahre eine Verdopplung zu erzielen. Bereits damit würde sich die chinesische Wirtschaft innerhalb von 100 Jahren zehnmal verdoppeln (2, 4, 8, 16, 32 ... 1024), was auf eine mehr als Vertausendfachung hinausliefe (bei 8,0 % eine Verzweitausendfachung). – Da die ehemals führenden Industrienationen, die sogenannten westlichen Länder, nur noch Zuwächse von 1 bis 2 % und damit Verdopplungszeiten von etwa 50 Jahren aufweisen, ergibt sich die Einsicht, dass China bereits recht kurzfristig alle diese Länder zusammengenommen überholen und weit hinter sich lassen wird, falls sich die Bedingungen nicht umgehend und fundamental ändern. (Wachstums Skeptikern gegenüber ist klarzustellen, dass es hier nicht um ein - verantwortungsloses – Plädieren für quantitatives Wachstum geht, sondern um - prinzipiell unbegrenztes – qualitatives Wachstum.)

Anzeichen für eine Korrektur der Entwicklung – und zwar im „Westen“ -- existieren jedoch im aktuellen politischen Umfeld nicht, im Gegenteil. Denn während die Coronakrise und deren teilweise inadäquates Management die „westliche“ Wirtschaft empfindlich beeinträchtigt, ist es in China nur in den ersten Monaten 2020 zu einem Einbruch der Bautätigkeit gekommen, bereits im Mai 2020 lag die Monatsproduktion von Zement mit 249 Mio t sogar um 8,6 % über dem Vorjahreswert 2019 von 229 Mio t. / Global Cement, 23.06.2020, Referenz https://www.globalcement.com/news/itemlist/tag/Production

Huawei, erst 1987 gegründeter Elektronikkonzern mit Zentrale in Shenzhen, war 2017 drittgrößter Hersteller von Smartphones, 2018 zweitgrößter und ist seit 2020 größter.

Die von den Medien bereits gewohnte Verheimlichung wesentlicher Informationen hat in diesem Fall allerdings eine sehr grobe Fehleinschätzung der gesamten globalen Lage zur Folge. China hat die Führungsrolle in der technischen Zivilisation bereits vor vielen Jahren von den USA übernommen. 

Es ist allgemein bekannt, dass, angefangen bei Textilien, Schuhen, einfachen technischen Geräten, inzwischen auch Computern und Autos, eine Produktkategorie nach der anderen überwiegend in China oder im restlichen Asien produziert wird. Das hat im “Westen” mit Zeitverzögerung stets den Niedergang derselben Industriezweige  nach sich gezogen. Verblieben sind außer generell Hochpreis Produkten im Wesentlichen noch Luft- und Raumfahrttechnik, Pharmaindustrie, Biotech und IT-Technologie/ High-Tech, bei denen ein gewisser technischer Vorsprung besteht. Infolge eines anhaltenden technischen Fortschritts in diesen Bereichen, so glauben die Bürger, wird dort ein Vorsprung des “Westens” auch immer bestehen bleiben.

Ob diese Annahme gerechtfertigt ist, klärt sich recht einfach an einem Vergleich der Bedingungen für technische Innovation. Die günstigsten Bedingungen liegen nämlich dort vor, wo sich ein freies Unternehmertum kreativ entfalten kann – weitgehend ungestört durch staatliche Reglementierungen und weitgehend geschützt vor einem unlauteren Wettbewerb durch steuerlich privilegierte Konzerne. Im Kapitel A 5. “Kollaboration zwischen Staat und Kapital” wurde für die “westlichen Länder” festgestellt, … “Chancen für Startups existieren heutzutage selbst im innovationsstarken HighTec- und Biotec-Bereich nur noch eingeschränkt. Ihr …Potenzial, mit überlegenen Produkten ein … Großunternehmen massiv unter Druck zu bringen, spielt in unserer aktuellen Mixed Economy … keine praktische Rolle mehr, während die zigtausendfach anzutreffende Realität darin besteht, dass ein etablierter Konzern erfolgreiche Startups – reihenweise – "aufkauft".

In der Volksrepublik China besteht auch heute noch ein bedeutender Einfluss des Staates  in der Wirtschaft, namentlich durch sein Eigentum an den meisten Großunternehmen. Obendrein haben sich “westliche” Kapitalisten Zutritt verschafft, u.a. im Finanzsektor. Beide Umstände sprechen zunächst gegen ein innovationsfreundliches Klima in Chinas Wirtschaft. Doch muss hinter den starken jährlichen Zuwächsen von rund 8 % ein entsprechender Antriebsmotor stecken. “It is the capitalism of the private sector … that is powering China's huge economy,…” – Es ist der Kapitalismus des privaten Sektors …, der Chinas gewaltige Wirtschaft antreibt. Auch wenn hier irritierend der Begriff “Kapitalismus” verwendet wird, ist es die freie Marktwirtschaft, von welcher die Kraftentfaltung ausgeht. / China's free enterprise economy succeeds via bottom-up development, Susan S. Lang, Cornell University Cornell Chronicle June 2010. 

Jedoch ist unabhängig von der erfolgreichen Einrichtung von Special Economic Zones noch eine zweite, weniger spektakuläre Reform angelaufen - in ganz China. Das folgende Zitat stammt aus dem hervorragenden Buch “Capitalism from Below” von Victor Nee, das im Internet kostenlos zur Verfügung steht. “In the early 1980s, the political elite envisioned the  household firm as an organizational form promoting self- employment for marginal economic actors at the periphery of an economy dominated by state- owned enterprises. Local government freely issued licenses to start up household- based private firms to farmers producing for urban markets, traditional merchants, artisans, ...” –In den frühen 1980er Jahren erfand die politische Führung  die Firma im Haushalt als eine Organisationsform, welche (die) selbständige Tätigkeit für Aktive in den Randbereichen einer von Staatsunternehmen dominierten Wirtschaft voranbringen sollte. Lokale Regierungsbehörden erteilten ohne Weiteres Lizenzen für die Gründung von im Haushalt operierenden Privatfirmen, (für) Landwirte, die für städtische Märkte produzierten, (für) traditionelle Händler (und für) Handwerker.    / Victor Nee, Sonja Opper, Capitalism from below, HARVARD UNIVERSITY PRESS Cambridge, Massachusetts, and London, England 2012, S. 5

Gegenüber der Einrichtung der Sonderwirtschaftszonen war die Zulassung von privaten Kleinunternehmen ursprünglich ein nachrangiges Konzept, das vor allem für die Verbesserung der Lebensmittelversorgung und die Schaffung von zusätzlichen Beschäftigungsmöglichkeiten für eine damals sehr rasch wachsende Bevölkerung gedacht war. – Doch der Erfolg dieser kleinen Startups übertraf alle Erwartungen. “The political elite did not anticipate that large numbers of start- up firms would grow quickly into sizeable manufacturing enterprises...”. – Die politische Elite hatte nicht vorher geahnt, dass eine dermaßen große Zahl von Startups zu Produktionsbetrieben beachtlicher Größe heranwachsen würde... / Victor Nee, Sonja Opper, Capitalism from below, HARVARD UNIVERSITY PRESS Cambridge, Massachusetts, and London, England 2012, S. 5

Mit diesem entscheidenden Reformschritt wurde in China eine freie Marktwirtschaft ins Leben gerufen – inzwischen nach objektiven Kriterien freier als das, was der Kapitalismus in den “westlichen” Ländern noch von ihr übrig gelassen hat. Obwohl auch der staatliche Teil der chinesischen Wirtschaft dank des verbesserten Rechnungswesens und Managements starke Zuwächse verzeichnen konnte, hat ihn der befreite privatwirtschaftliche Sektor bereits überholt. Nicht durch staatliche Initiative und Einflussnahme, sondern durch deren Zurückhaltung war ein sich selbstregelndes, dynamisches Wechselspiel aus freien, rationalen Entscheidungen von Marktteilnehmern und gesellschaftlichen Emanzipations Prozessen in Gang gekommen – mit messbaren Resultaten.

“In 2000, around 4% of China’s urban population was considered to be middle class, however by 2020 it is meant to be around 76%”. – Im Jahr 2000 wurden ungefähr 4 % der chinesischen Stadtbevölkerung als Mittelklasse betrachtet, während für 2020 etwa 76 % angenommen werden.  / Imogen Ursell, Everything You Need To Know About The Chinese Middle Class, In Doing Business In China, Referenz https://www.dragonsocial.net/blog/chinese-middle-class/

Ein breiter Mittelstand stellt ein Indiz für eine ausgewogene Wohlstandsverteilung dar. Die hohe Quote für Wohneigentum bestätigt das. “Moreover, China has an above average home ownership rate of 87 percent compared to 67 percent in the US”.  – Weiterhin hat China mit 87 % eine überdurchschnittliche Wohneigentümerquote, verglichen mit 67 % in den USA. /  How well-off is China’s middle class? China Power April 26, 2017. Updated May 29, 2019 https://chinapower.csis.org/china-middle-class/

Die Befreiung des kreativen Mittelstandes von obrigkeitlicher Bevormundung  in China stellt in Teilaspekten eine  historische Parallele zur Unabhängigkeit der Vereinigten Staaten dar. Das von den Gründungsvätern verkündete Recht auf  "pursuit of happyness”, auf freie Lebensentfaltung, ist in China Realität geworden – jedenfalls in wirtschaftlicher Hinsicht. – In beiden Fällen musste die Freiheit hart erstritten werden. Während sich die Amerikaner im Unabhängigkeitskrieg von der Bevormundung und Benachteiligung durch das nicht von ihnen gewählte britische Parlament erkämpfen mussten, mussten sich die kleinen Selbständigen und Startups in China von der Willkür lokaler Behörden befreien. 

“Private firms remained vulnerable to expropriation by local governments through special taxes and mandatory contributions to community projects. The predatory taxes and expropriation by local government and the looting of assets and wealth of peasant entrepreneurs highlighted the problem of insecure property rights”. – Private Firmen blieben verletzbar gegenüber Enteignung durch spezielle Steuern, die von lokalen Regierung Autoritäten erhoben wurden, sowie durch verpflichtende Beteiligung an kommunalen Projekten. Die Raubsteuern und Enteignungen durch lokale Regierung, Autoritäten sowie die Plünderung von Produktionsgütern und Vermögen von selbständigen Bauern beleuchtete das Problem der Unsicherheit der Eigentumsrechte. / Bruce J. Dickson, Red Capitalists in China: The Party, Private Entrepreneurs, and Prospects for Political Change (Cambridge: Cambridge University Press, 2003), 127, Referenz Victor Nee, Sonja Opper, Capitalism from below, HARVARD UNIVERSITY PRESS Cambridge, Massachusetts, and London, England 2012, S. 6 

Allerdings dauerte die amerikanische Befreiung im Unabhängigkeitskrieg “nur” 8 Jahre, von 1775 bis 1783, die der kleinen Unternehmer in China ungefähr dreimal so lange, vom Anfang der 1980er Jahre bis 2007, als mit dem Property Rights Law endlich Sicherheit des Eigentums hergestellt wurde. 

Dem Sieg der freiheitlichen Kräfte gegen willkürliche, unfaire Machtausübung und Unterdrückung war in Amerika ein beispielloser Aufstieg der neu entstandenen Nation gefolgt. - In China folgt nunmehr dem noch härter errungenen Sieg des fairen Unternehmertums gegen ebenso willkürliche, unfaire Machtausübung und Unterdrückung sehr offensichtlich ein entsprechender geistiger Aufstieg der befreiten chinesischen Nation – was sich u.a. an Patentanmeldungen gigantischen Umfangs ablesen lässt. “China's filings jumped 11% last year (=2019) to 58,990, representing a more than 200-fold rise from 1999. … The U.S., which had remained the top filer of international patents since 1978, dropped to second after an increase of 3% to 57,840 applications. - Chinas (Patent-)Anmeldungen sprangen im letzten Jahr (=2019) um 11 % auf 58.990, was einen Anstieg um das mehr als 200-fache gegenüber 1999 bedeutet. … Die USA, welche seit 1978 der führende Anmelder internationaler Patente waren, fielen nach einem Anstieg um 3 % auf 57.840 Anmeldungen auf den zweiten (Platz zurück).  / Rintaro Hosokawa, China overtakes US as leader in international patent filings, Nikkei Asian Review 08. April 2020, Referenz https://asia.nikkei.com/Business/Technology/China-overtakes-US-as-leader-in-international-patent-filingsGY

Doch ähnlich wie beim Vergleich des Bruttosozialprodukts als Indikator für Wirtschaftskraft geben die Daten für internationale Patentanmeldungen nur einen kleinen Ausschnitt der Wirklichkeit wieder. “…, some 95 percent of all filing activity by China-based applicants was in China, with only 5 percent attributed to those seeking protection abroad”. …, ungefähr 95 Prozent aller (Patent-)Anmeldungen durch chinesische Anmelder wurden (für eine Gültigkeit des Patentschutzes) in China vorgenommen, nur 5 Prozent für (Patent)Schutz im Ausland. / Peter Kenny, Global Patents Soar Again As China Tops Patent, Trademark, Design Filings Intellectual, Property Watch 2017, Referenz https://www.ip-watch.org/2017/12/06/global-patents-soar-china-tops-patent-trademark-design-filings-2016/

Erst wenn man ausser den kostspieligen international gültigen Patentanmeldungen auch die erschwinglichen, nur im Land selbst gültigen betrachtet, bekommt man ein Bild von der tatsächlichen Innovationskraft  “… China, which received more patent applications than the combined total for the United States, Japan, South Korea and the European Patent Office”. – China, das mehr Patentanmeldungen als die Vereinigten Staaten, Japan, Südkorea und das Europäische Patentamt zusammengenommen erhielt … (Statistik von 2016). / Peter Kenny, Global Patents Soar Again As China Tops Patent, Trademark, Design Filings Intellectual, Property Watch 2017, Referenz https://www.ip-watch.org/2017/12/06/global-patents-soar-china-tops-patent-trademark-design-filings-2016/

Die Frage, ob der aktuelle technologische Vorsprung der USA und Europas gegenüber China ohne die überfällige geistige Befreiung im “Westen” eine Chance auf nachhaltigen Bestand hat, ist damit unmissverständlich beantwortet. Bereits auf der formalen Ebene liegen in China wesentlich günstigere Bedingungen für Startups vor, nämlich niedrigere Stromkosten von etwa der Hälfte derjenigen in den USA und einem kleinen Bruchteil derjenigen in Deutschland, niedrigere Steuern und vor allem wesentlich weniger bürokratische Schwierigkeiten.

In den etwa 25 Jahren des Befreiungskampfes der chinesischen Kleinunternehmer bis 2007 haben sich Verhaltensstrategien und ethische Regeln entwickelt, welche exakt dem Prinzip des fairen Ausgleichs in der freien Marktwirtschaft entsprechen; Ayn Rand (1905-1982) würde sich hundertprozentig bestätigt sehen. Nach den USA in ihren Gründer Jahrzehnten ist es nun auch in China gelungen, die haushohe Überlegenheit des ewig gültigen Prinzips der Marktwirtschaft unter Beweis zu stellen. In der Art der Beweisführung wird zugleich deutlich, dass der Zutritt zur Ethik marktwirtschaftlicher Fairness eine mentale Befreiung zur Voraussetzung hat. Die dadurch frei werdenden kreativen Kräfte überwinden auch die Reste der entgegengesetzten Kräfte der Benachteiligung und der Unterdrückung - also den ungerechtfertigten kapitalistischen Machtanspruch. Es bedarf allerdings eines wachen Bewusstseins, um die vielgestaltige und perfide Tarnung dieses ungerechtfertigten Machtanspruchs zu detektieren und stets schon im Ansatz zu parieren. Bei allen sonstigen Fortschritten zeigt sich, dass bei dieser Wachsamkeit auch in  China Nachholbedarf besteht, und zwar besonders dringend im  Wohnungsbau Sektor – siehe Anhang C 1. “Bewährungsprobe für Chinas politisches Establishment”

Es ist ein Paradoxon der Geschichte, dass es ausgerechnet das formal kommunistische China ist, wo der Welt zum Zweiten Mal vorgeführt wird, dass allein die freie Marktwirtschaft die dem Menschen als Verstandeswesen angemessene Wirtschaftsform darstellt. Nur im Schutz des fairen Ausgleichs kann sich Kreativität ungehindert entwickeln. Wie schon während des Aufstiegs der USA im 19. Jahrhundert sind es die Kapitalisten, welche von dieser unumstößlichen Wahrheit nach Kräften abzulenken versuchen – in diesem zweiten Anlauf aber ohne Aussicht auf Erfolg. Ein solcher “Erfolg” wäre für die Menschheit auch eine Katastrophe – für sie selbst allerdings eine noch weiterreichende, wie die folgenden Kapitel immer klarer zeigen.